EG auf dem Weg in die Währungsunion

Thatcher stimmte Kompromiß zu, lehnte aber Sozialcharta ab / EG-Gipfel für China-Sanktionen  ■  Aus Madrid Antje Bauer

über die nächsten Schritte zur Europäischen Währungsunion herrscht Einigkeit, gleichfalls üer neue Sanktionen gegen China und über die unmittelbar Beteiligung der PLO am Friedensprozeß im Nahen Osten. Am britischen Veto ist hingegen erwartungsgemäß die einmütige Verabschiedung der Sozialcharta gescheitert. Das sind die wichtigsten Ergebnisse des zweitägigen EG-Gipfels, der am Dienstag nachmittag in Madrid zuende gegangen ist.

Noch am Morgen hatte Skepsis vorgeherrscht, ob der Gipfel nicht doch noch scheitern würde. Doch am Nachmittag ratifizierte auch die britische Premierministerin Maggie Thatcher eine Erklärung, die die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) einen „kleinen, aber entscheidenden Schritt“ vorwärtsbringen wird, wie sich Bundeskanzler Helmut Kohl auf einer abschließenden Pressekonferenz ausdrückte.

Dem ursprünglichen Delors-Plan zufolge sollte die WWU in drei Phasen erreicht werden, von denen die erste am 1. Juli 1990 mit dem freien Kapitalverkehr und dem Beitritt aller europäischen Währungen in das Europäische Währungssystem beginnen sollte. Die Einleitung der ersten Phase war diesem Plan zufolge nicht von der Verpflichtung zur Weiterführung zu den beiden anderen Phasen zu trennen, die die Abgabe von nationalen Souveränitätsrechten im Finanz- und Steuerbereich mit sich gebracht und mit einer tatsächlichen Wirtschafts und Währungsunion geendet hätte.

Thatcher, die die Übertragung solcher Kompetenzen auf eine EG-Einrichtung ablehnt, hat sich nun bereit gezeigt, die erste Phase unter bestimmten Vorbedingungen zu akzeptieren, ohne sich für die beiden weiteren Phasen zu verpflichten. Ein spanischer Kompromißvorschlag wurde während der abschließenden Debatte noch zugunsten des Fortsetzung auf Seite 2

britischen Position verändert. Die Formulierung, daß der Bericht der EG-Zentralbankchefs unter der Leitung des EG -Kommissionspräsidenten Delors eine „gute Grund

lage“ für die weiteren Arbeiten sei, wurde gestrichen. Der Beginn der ersten Stufe ist allerdings wie vorgesehen auf den 1. Juli 1990 festgelegt worden. Für die Einleitung der beiden weiteren Phasen werden keine Daten bestimmt, und die Einberufung der Regierungskonferenz zur notwendigen Änderung der Römischen Verträge wird von einer „angemessenen und vollständigen Vorbereitung“ abhängig gemacht. Thatcher hat also Zeit gewonnen.

Geopfert wurde zugunsten der währungspolitischen Einigung die Europäische Sozialcharta, der nicht nur Thatcher, sondern auch andere Regierungen wie etwa die portugiesischeskeptisch gegenüberstanden. Ohne die Stimme Großbritanniens wurde beschlossen, daß die Arbeiten an der Charta und an einklagbaren sozialen Mindeststandards in der EG fortgesetzt werden soll. Konkrete Zielvorgaben sind in dem Beschluß nicht formuliert. Kanzler Kohl äußerte jedoch die Hoffnung, daß beim nächsten Gipfel, der im Herbst in Frankreich stattfinden wird, eine Sozialcharta verabschiedet werden könne.

Geeinigt haben sich die zwölf auch auf mehrere außenpolitische Erklärungen, in denen die „brutale Repression“ in China verurteilt wird und neue Sanktionen verhängt werden. Dazu gehören die Unterbrechnung der militärischen Zusammenarbeit und ein Waffenembargo, die Aussetzung hochrangiger politischer Kontakte und die Vertagung von Entwicklungshilfe-Projekten. Die Prüfung neuer Kredite an China wird ebenfalls verschoben.