„Weg aus diesem Land“

Eine Geschichte aus der Reihe „Der alltägliche Rassismus“, erzählt von Mercedes G. / Rassismus nimmt in Berlin seit den letzten Wahlen bedrohliche Formen an  ■ I N T E R V I E W

Seit dem Einzug der rechtsextremen „Republikaner“ in das Berliner Abgeordnetenhaus, häufen sich die verbalen und militanten Übergriffe auf ausländische Mitbürger. Die 28jährige Kolumbianerin Mercedes G., die seit fünf Jahren an der TU Psychologie studiert, hatte auf dem Hof ihres Wohnhauses am Chamissoplatz ein beklemmendes Erlebnis.

taz: Was ist passiert?

Mercedes: Ich hatte mich am Sonnabend in den Hof unseres Hauses gesetzt, um an einem Referat über interkulturelle Erziehung zu arbeiten. Der Hof ist begrünt und darf von allen Bewohnern benutzt werden. Auf einmal kommt ein Mann, der auch in dem Haus wohnt, und erklärt, das der Tisch an dem ich sitze Privateigentum ist, und ich sofort verschwinden soll. Er hat gesagt, ich darf hier nicht dran sitzen. Aber die Wiese, habe ich gefragt, die gehört doch allen? Die gehört dem Hausbesitzer hat er geschnauzt und sofort begonnen mich zu beschimpfen: Die Ausländer sind alle Untermenschen die man vergasen sollte. Deutschland gehört den Deutschen hat er mich angeschrieen und, ich soll endlich machen das ich verschwinden. Aber ich wohne in dem Haus schon zwei Jahre.

Was hast du dann gemacht?

Ich hatte furchtbare Angst und schrie nur: Du Nazi, laß mich in Ruhe. Nazis gibt es nicht nur in Deutschland, hat er gesagt und daß wir Ausländer die Schnauze halten sollen. Wenn wir euch nichts zu Fressen geben würden, dann wärt ihr sowieso verhungert.

Warst du allein mit ihm?

Ja, und ich hatte solche Angst, weil er sehr aggressiv war. Ich habe dann angefangen zu heulen und ihn Arschloch genannt. Dafür hat er mich dann beim Weggehen noch mit dem Schlauch naßgespritzt. Ich war danach so fertig, daß ich zwei Stunden brauchte um mich zu beruhigen. Am meisten hat mich fertig gemacht, das ich gegen sowas so hilflos bin. Als Frau, als Mensch fühlst du dich völlig ausgeliefert und schutzlos. Ich habe jetzt richtige Angst, da ich hier ja allein lebe, und mein erste Gedanke war: Weg aus diesem Land.

Sind diese Erfahrungen neu für dich oder hast du sowas schon öfter erlebt?

Nein, überhaupt nicht neu, es ist alltägliches Brot geworden für uns Ausländer in dieser Stadt. Wir erleben das bei der Wohnungssuche, beim Einkaufen, wo du einfach nicht bedient wirst und sogar an der Uni. Ausländerfeindlichkeit und für uns Frauen auch offener Sexismus - ist jetzt viel offener und aggressiver. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Stimmung sich gewandelt hat seit den letzten Wahlen. Nach dem Vorfall im Hof ist mir bewußt geworden, daß wir Ausländer rechtlos sind. Aber wir sind keine kleine Minderheit, und es wird Zeit, daß wir endlich eine politische Stimme bekommen.

Interview: -time