„Perspektiven für die Industriemetropole Berlin“

■ Interview mit Klaus Burmeister, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in Berlin, zu der Idee einer Stiftung „Zukunftsmetropole Berlin“

taz: Auf einer von AL und SPD kürzlich veranstalteten Anhörung wurden Modelle diskutiert, wie die Berliner Forschungs- und Technologiepolitik stärker für einen ökologischen und sozialen Stadtumbau nutzbar gemacht werden kann. Als einer der geladenen Experten hast Du Dich für die Gründung eines „innovationspolitischen Netzwerkes“ in Form einer unabhängigen Stiftung ausgesprochen. Was ist darunter zu verstehen?

Klaus Burmeister: Was Berlin braucht, sind zukunftsorientierte Leitbilder für eine andere Stadtpolitik. Der alte CDU/FDP-Senat hat ein strukturpolitisches Dilemma hinterlassen. Es fehlt an Problemlösungskapazitäten in der Verwaltung, an den Hochschulen, in dem Dschungel von Technologie-Vermittlungs-Agenturen und Transferstellen. Was fehlt, ist eine Institution, die versucht, Perspektiven für die alte Industriemetropole Berlin zu entwerfen. Die vorgeschlagene Stiftung soll diese Lücke schließen. Unabhängig von staatlichen und wirtschaftlichen Einflüssen organisiert, muß sie ganz klar auf das Ziel eines ökologischen und sozialen Stadtumbaus ausgerichtet sein. Die Stiftung hätte im wesentlichen die Aufgabe, einen Lernprozeß in der Stadt zu initiieren und dazu beizutragen, die vielbeschworenen Standortvorteile der Stadt zu nutzen.

Was wären konkret die Aufgaben der Stiftung?

Unter dem alten Senat wurden systematisch bestimmte gesellschaftliche Interessen ausgegrenzt. Dies betraf nicht nur die der Gewerkschaften, sondern auch die der Selbsthilfewirtschaft, die technologiepolitischen Netzwerke, die selber Problemlösungskapazitäten aufgebaut haben, wie z.B. das Abfallnetzwerk oder auch bestimmte Bereiche an den Universitäten. Die erste Säule dieser Stiftung wäre deshalb der Aufbau eines Netzwerkes, um alle Kräfte dieser Stadt an einen tisch zu bringen und über Perspektiven Berlins nachzudenken. Das kann geschehen durch Foren, Arbeitsgruppen und durch eine ganz konkrete Vermittlerarbeit, d.h. die Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen und ihre Präsentation auf Messen und Veranstaltungen.

Die zweite Säule wäre, Handlungsfelder zu bestimmen, in denen bestimmte Modellvorhaben auch praktiziert werden. Konkret würde dies beispielsweise die Lösung von Energiefragen, Altlastenproblemen, die Wasserproblematik und die Müllbeseitigung betreffen. Weitere Problemfelder sind Branchen- und Strukturkrisen - Beispiel Elektroindustrie. Über allem sollte ein neuer Ansatz stehen, der nicht allein die Technologie als Lösung für Probleme heranzieht, sondern zu allererst bestimmte Problembereiche definiert, um dann zu fragen, welche vorhandenen Kapazitäten in der Stadt zu seiner Bewältigung sinnvollerweise heranzuziehen sind. Es hat sich dabei immer stärker gezeigt, daß es wichtig ist, auch soziale Innovationen für stadtspezifische Lösungen zu nutzen. Ein Ziel wäre, im Verbund Produktentwicklungen voranzutreiben, die beispielhaft zeigen, daß Berlin in der Lage ist, seine Probleme zu lösen.

Eine dritte Säule bestünde in der Förderung eines dringend erforderlichen Qualifikationspotentials, das solche zukunftsorientierten Lösungen bereitstellen kann. Es reicht nicht mehr allein, Fertigungs-, Innovations- und Mittelstandsassistenten auszubilden. Vielleicht ist es genauso notwendig, Ökologieassistenten auszubilden wie Kreativ- und Innovationsmanagement zu fördern. Man könnte hier viel lernen von der in dieser Hinsicht recht aktiven Wirtschaft. Beispielsweise hat Mercedes schon Ende der siebziger Jahre eine Abteilung in Berlin aufgebaut, die sich zukunftsrelevanten Themen widmet.

Nun stieß das Stiftungsmodell ja nicht auf ungeteilte Zustimmung. Kritisiert wurde, daß die Gründung immer neuer zudem privater - Institutionen die Senatsverwaltungen und staatlichen Weiterbildungseinrichtungen schwäche und dort nötige Reformen erschwere.

Man muß klar sehen: Die Stiftung Zukunftsmetropole kann keine Politik ersetzen. Es ist trotzdem nach wie vor notwendig, daß auf Seiten staatlicher Politik ökologische und soziale Projekte gefördert werden. Die Stiftung kann nichts weiter tun als eine Organisations- und Moderatorenfunktion zu übernehmen. Sie kann nur bereits vorhandene Akteure aus der Verwaltung, der Wirtschaft und der Gesellschaft an einen Tisch bringen, die bereit sind, für Berlin Ideen zu finden, intelligente Produkte zu entwickeln.

Kann ein unter Rot-Grün mit mehr Kompetenz angereicherter Wissenschaftssenat in Verbindung mit einem aus gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzten Forschungsbeirat wie er derzeit auch diskutiert wird, die Aufgaben einer Vernetzung und Beteiligung nicht genausogut leisten?

Der Senat ist damit in seinem tagespolitischen Geschäft überfordert. Es bedarf einer eigenen Einrichtung, die sich ganz gezielt - und da gibt es in Berlin keine einzige solchen vorgelagerten Aufgaben widmet. Man kann bestenfalls hoffen, daß die Verwaltung in Zukunft verstärkt ressortübergreifend zusammenarbeitet. Die Stiftung dagegen hätte eine Service- und Dienstleistungsfunktion in die Gesellschaft hinein. Ein solches Netzwerk könnte Frühwarnfunktionen übernehmen: indem nämlich Akteure aus verschiedenen Branchen und Technikfeldern miteinander reden, die vorher nicht miteinander geredet haben, werden Probleme früher bekannt. Die Verwaltung wiederum könnte versuchen, die Probleme, die in der Stiftung sichtbar werden, zu übersetzen in eine andere Regierungsarbeit.

Mit welchen Entscheidungskompetenzen soll die Stiftung ausgestattet sein?

Innerhalb der Stiftung müßte ein Kuratorium gebildet werden, in dem alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten sind, angefangen vom Senat über die Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften bis hin zu Vertretern aus der Selbstverwaltungswirtschaft, Technikinitiativen, Ingenieurkollektive, aus dem Bereich der in Berlin ansässigen Zukunftstechnologien und den genannten selbstorganisierten Problemlösungskapazitäten, wie dem energiepolitischen Ratschlag, dem Abfall- und dem Wassernetzwerk. Vor allem müßten bei der Vergabe von Projektmitteln Entscheidungsstrukturen gefunden werden, die nicht nur die Entwickler, sondern auch die Nutzer späterer Projektergebnisse in den Planungsprozeß mit einbeziehen. Die Stiftung sollte mindestens mit einem Etat zwischen fünf bis zehn Millionen Mark im Jahr ausgestattet werden. Dies liegt etwa in der Größenordnung von dem, was die Akademie der Wissenschaften zur Verfügung gestellt bekommen hätte.

Von wem wird die Stiftungsidee unterstützt?

Wir sind eine Gruppe von SozialwissenschaftlerInnen, die in verschiedenen Forschungsprojekten mit Fragen der Innovations - und Modernisierungspolitik beschäftigt sind, am Fachbereich Politische Wissenschaft der FU, im Wissenschaftszentrum, in der Berlinforschung und Drittmittelprojekten. Wir werden jetzt versuchen, die vorhandenen Modelle weiter auszuarbeiten und in die öffentliche Auseinandersetzung einzubringen.

Welches Echo gibt es dazu bislang aus dem neuen Senat?

Man muß leider befürchten, daß in der Verwaltung weitgehend die alte Politik weiterbetrieben wird. Das macht sich jetzt zum Beispiel in der Einrichtung eines technologiepolitischen Beirats bemerkbar, der jetzt als Senatsvorlage vorliegt und sich durch nichts von seinem Vorgänger unter dem CDU-Senat unterscheidet. Die AL hat bereits Widerspruch eingelegt. Wenn man wirklich anfangen will mit einer anderen Forschungs - und Technologiepolitik, die nicht nur am Export, sondern auch an den Problemen Berlins orientiert ist, muß das auch sichtbar werden in der Beteiligung von gesellschaftlichen Interessen, die bisher nicht eingebunden waren.

Interview: Beate Schulz