Naturschutzgesetz wird neuer Konfliktherd

Das versprochene neue Naturschutzgesetz läßt auf sich warten / „Naturbelastungsabgabe“ und Entschädigung für Verzicht auf Pestizide in Schutzgebieten erweisen sich als finanzielle und politische Stolpersteine / Kohl soll jetzt entscheiden - aber wie macht man das?  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Noch vor der Sommerpause, so hatte der Bundeskanzler versichert, werde der Entwurf für ein neues Naturschutzgesetz im Kabinett verabschiedet. Nun sind die Parlamentarier bereits im Urlaub, doch die Novelle läßt auf sich warten -, und unsicher ist sogar, ob in dieser Legislaturperiode überhaupt noch etwas daraus wird. Eine entschiedene Handschrift fehlt dem längst überfälligen Gesetz; unverbindliche Formulierungen und vorweggenommene Entschärfungen lassen ahnen, wie schwach Töpfer sich selbst einstuft. Dennoch sollte das Werk Ende März schon einmal ganz gekippt werden - erst vehemente Proteste auch aus den CDU-Reihen brachten es wieder in den Aufgabenkatalog der Bundesregierung.

Die Zeiten, als die Landwirtschaft wider jede Wirklichkeit als praktizierter Naturschutz angesehen wurde, sollen endlich vorbei sein, vertritt Umweltminister Töpfer (CDU). Er will die Bauern zur Beachtung der Ökologie verpflichten allerdings nur per „Soll„-Formulierung. Zwei andere Instrumente sollen für eine Neuorientierung sorgen. Wer Natur verbraucht, soll dafür zahlen: Für die Versiegelung und Bebauung von Boden, für den Bau von Energietrassen, für die Umwandlung von Brachflächen in Äcker und „Abgrabungen“ wie Müllkippen und Steinbrüche. Töpfer erhofft sich damit auch, den Flächenneuverbrauch von jährlich 36.000 Hektar davon 3,500 Hektar für Wohnungen und 12.000 Hektar für Straßenbau - zu bremsen. Andererseits sollen die Landwirte in Landschaftsschutz- und Naturschutzgebieten für den verordneten Verzicht auf Pestizide und Stickstoffdünger eine Ausgleichszahlung erhalten. Das ist zwar eine paradoxe Umkehrung des Verursacherprinzips, weil damit eine naturgerechte Landwirtschaft bezahlt wird, doch Töpfer wollte auf diese Weise den Widerstand der Bauernlobby brechen.

Das war zwar gut gedacht, ist aber zu einem der entscheidenden Stolpersteine geworden. Weil nämlich rund ein Drittel der Bundesrepublik als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist, summiert sich die „Ausgleichszahlung“ für geringere Erträge auf - geschätzt - zwischen 1,5 und drei Milliarden Mark jährlich: Dies mögen weder der Finanzminister noch die Länder zahlen. Und die bestechend einfache Idee, die Erträge der „Naturbelastungsabgabe“ sechzig Pfennig pro Quadratmeter verbrauchten Bodens jährlich sind vorgesehen - für die Ausgleichszahlung zu verwenden, scheitert aus rechtlichen Gründen.

Zur Finanzierung der Ausgleichszahlung wird deshalb entweder die Schaffung einer „Gemeinschaftsaufgabe Naturschutz“ vorgeschlagen oder die Umwidmung der bisherigen Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Ersteres ist sehr zeitaufwendig und schwierig, weil es eine Grundgesetzänderung voraussetzt, letzteres ruft erneut Bauernprotest hervor. Umverteilen ist nicht, sagen die Bauernverbände; es müsse schon zusätzliches Geld sein.

Auch die Sorge, die Wahlklientel weiter in die Arme der „Republikaner“ zu treiben, reduziert den Tatendrang der CDU/CSU erheblich. Die Jäger gingen auf die Barrikaden, weil sie nicht mehr als die Inkarnation des Naturschutzes angesehen werden sollen, ebenso wie die Bauern, die kein Geld bekommen, sondern die „Naturbelastungsabgabe“ zahlen sollen.

Wie die Bundesregierung diesen Knoten zerschlagen will, ist nicht absehbar. Heute trifft sich Bundeskanzler Kohl mit den Ministerpräsidenten. Dann soll auch das Naturschutzgesetz auf der Tagesordnung stehen. Ergebnisse jedoch erwartet niemand.