Bonner Offenbarungseid

Während Norbert Blüm sich in Südafrika von der Apartheid zu Tränen rühren läßt, muß die Bundesregierung öffentlich bekennen, wie schwungvoll sich der bundesdeutsche Handel mit dem rassistischen Regime gestaltet. Bonn ist Bothas Handelspartner Nummer eins. Gestern stellte der SPD -Abgeordnete Günther Verheugen in Bonn die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion zu den Wirtschaftsbeziehungen der BRD mit Südafrika vorab vor.

In den letzten drei Jahren, dem Zeitraum also, in dem die internationale Kritik an dem Apartheidstaat immer lauter wurde, stieg der Gesamtumsatz (Einfuhren und Ausfuhren) kontinuierlich und immens: 1986 um 15,8 Prozent, 1987 um 20,8 und 1988 sogar um 38 Prozent. Vergleichszahlen zeigen, daß diese Steigerungsraten deutlich über jenen der anderen wichtigen Handelspartner Südafrikas liegen und daß Bonn 1988 die intensivsten Wirtschaftsbeziehungen zu dem Apartheidstaat unterhält: Großbritannien, Italien und Frankreich steigerten 1988 ihren Umsatz im Geschäft mit Pretoria um 27,6, 25,3 und 23,2 Prozent. Daß die Bonn Sanktionen nach wie vor rigoros ablehnt, scheint der deutschen Wirtschaft also Rückenwind zu verschaffen.

Besonders skandalös sind die in der Antwort offenbarten Tatsachen zu Ausfuhrgenehmigungen der Bundesregierung für Teil I, Abschnitte A, B, C der Ausfuhrliste des Außenwirtschaftsgesetzes. Die ersten beiden Abschnitte betreffen Waffen- und Nuklearmaterial. Die Bundesregierung gesteht, auch Genehmigungen nach diesen Abschnitten erteilt zu haben. Allerdings versieht sie diese Informationen mit dem absurden Zusatz, es habe sich bei den Lieferungen ausnahmslos um nicht-militärische Güter gehandelt, die vom Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen Südafrika nicht erfaßt würden. Dem stellte Günther Verheugen auf seiner Pressekonferenz die Tatsache gegenüber, daß man überall in Südafrika auf militärische Güter stößt: Fahrzeuge, mit denen die südafrikanische Armee und Polizei Einsätze gegen Schwarze fährt, sind zum größten Teil made in germany oder werden mit bundesdeutscher Lizenz in Südafrika hergestellt, beziehungsweise dort umgebaut. Siemens stattet Pretorias Polizei mit Kommunikationstechnologie aus. Hubschrauber, mit denen schwarze Demonstranten gejagt werden, werden von MBB hergestellt und auch Polizeiwaffen stammen oft aus der Bundesrepublik.

Auch in dieser Antwort auf die Anfrage der SPD hält die Bundesregierung an ihrer Ablehnung von Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika fest. Gleichzeitig behauptet sie jedoch, alle im Rahmen der europäischen politischen Zusammenarbeit bezüglich Südafrika eingegangenen Verpflichtungen erfüllt zu haben. Das Europäische Parlament hatte vor knapp einem Jahr unter anderem gefordert, daß keine neuen Kredite an die südafrikanische Regierung vergeben werden sollten, daß ein Einfuhrverbot für Bodenschätze und Agrarerzeugnisse ausgesprochen und der Flugverkehr eingestellt werden müßte. Keine dieser Maßnahmen hat Bonn bisher ergriffen. Was die Bundesregierung bisher tat, spricht diesen Forderungen eher Hohn: Der damalige Wirtschaftsminister Bangemann bat (!) vor einiger Zeit in einem Brief die Vertreter der deutschen Wirtschaft in Südafrika, keine Neuinvestitionen mehr zu tätigen.

Ferdos Forudastan, Bonn