Ein Star ist ein Star

■ „Besuch bei Joan“ als deutsche Erstaufführung

Auf der Bühne ist SIE ein ER. Unverwechselbar die tiefe Stimme, die behaarten Arme - und doch war Joan Crawford eine Frau, bis SIE ein Star wurde. ER ist Armin Dallapiccola, Ex -Mitglied des Bremer Tanztheaters, und ER spielt SIE, die Diva, den Star. Allein und neunzig Minuten lang stand Dallapiccola auf der Bühne der Schauburg, posierend, redend, agierend, schnippisch. Wer war Joan Crawford? SIE war Billy Cassin, bis ein zweiter Platz in einem Preisausschreiben SIE zu einem Idol machte. Das Pseudonym wurde Programm. Louis Burt Mayer, Mitbegründer von Metro -Goldwyn-Mayer, verehrte und modellierte SIE. „Sei nie eine x-beliebige Frau“, forderte er und SIE begriff. „Ich bin es meinem Publikum schuldig, daß jeder Millimeter an mir perfekt ist“. Dallapiccola schlägt die Augen auf, streicht mit seinen Händen über die vermeintlich weiblichen Proportionen, legt den Kopf in Nacken und posiert.

„Eine unendliche Abfolge von Posen“ nennen der Schauspieler und sein Regisseur Dirk Cieslak das Leben der Joan Crawford.

Besuch bei Joan des Niederländers Cas Enklaar, Mitglied des Amsterdamer Werktheaters, ist eine Aneinanderreihung von Selbstzeugnissen, Zitaten, Fragmenten und biographischen Notizen. „Star zu sein, das bedeutet vierzehn Säcke Post jeden Tag.“ SIE weiß, daß SIE ein Kunstmensch ist, jeden Tag. ER, im roten Cowboyhemd, grauen Jeans und Leopardenschuhen, schreitet über das Podium wie auf einem silbernen Teller, tanzt spärliche Kunst-Figuren zur Musik von Laurie Anderson und schminkt sich ausgiebig. Das Bühnenbild: drei Monitore, ein Garderobengestänge, Stuhl und Lampe und eine moderne Spitzcouch. Dallapiccola rezitiert nicht, ER ist die Künstlichkeit in Person, ER ist der Star. ER erzählt von den exklusiven Cateringlisten für die Hotels, in denen

SIE absteigt, vom zerstoßenen Eis, von Zigarettenstangen einer besonderen Marke, vom weißen Cadillac mit Klimaanlage und von Pepsi Cola. SIE war die Symbolfigur dieser Getränkemarke seit ihrer Heirat mit einem der Direktoren. „Alfred liebte Pepsi Cola und ich liebe Männer, die etwas lieben“. Das Schöne am Besuch bei Joan ist die Überschaubarkeit. Kein Hasten, aber auch keine Längen. Alle Facetten, die den Star ausmachen stehen für sich, sie sprechen die Sprache der Künstlichkeit. Jede neue Pose erzählt eine andere Seite eines fremdbestimmten Lebens, dessen stilisierte Äußerlichkeiten Glamour genannt werden. Am Ende, im rot-schwarzen Kleid mit schwerer Perlenkette und Hackenschuhen, bleibt die Erkenntnis eines langen Filmlebens. „Mit Würde alt werden. Leute, die das sagen, lügen. Man wird einfach alt.“ Armin Dallapiccola hat es uns gezeigt. Überzeugend.

Jürgen Franck