ALLES WIRD GUT

■ Ein Abend in der Waldbühne feat. The Bee Gees

Richtig schön gemütlich ist es, der BVG-Fahrer wünscht viel Spaß, das Pärchen zwei Schritte zurück will morgen zu Paul Simon, da fahren wir mit demselben Bus, aber heute ist heute, da essen wir uns gleich erstmal ein Würstchen, kräht Vater, und Mutter findet das auch eine prima Idee. Eine Combo blau-gelb bekappter Köpfe folgt schnurgerade aufgereiht einem blau-gelben Regenschirm, hier betreibt die Berliner Bank Dienst am Kunden. Die Berliner Aids-Hilfe hingegen verteilt Ein paar Sätze zu Aids, gleich der erste heißt Aids beunruhigt heute sehr viel sexuell aktive Menschen, ist das eine Ansprache an den Vielficker und Dauerrammler in uns, oder was bitte meinen die mit sexuell aktiv?

Dann will es Abend werden, die Herrschaftsarchitektur der Waldbühne vermittelt Hochgefühle, man darf sich vorkommen wie Graf Koks, wenn man, majestätisch selbstverständlich, die Stufen hinabschreitet und ein imaginärer Roter Teppich sich entrollt, während drumrum 25.000 Berliner ihre Feierabendstullen auspacken, Quarkkartoffeln mampfen oder markig ins Pökelschweinefleischbrötchen beißen: Die Arbeiterklasse ist anwesend, und wer bei diesem Wort noch einmal feuchte Augen kriegt oder das verlogene Heroenpathos ins Timbre packt, wird mit Butterfahrt nicht unter zwei Jahren bestraft.

Eine Vorgruppe beginnt zu lärmen und erntet verdientermaßen Desinteresse, weshalb die Sängerin mächtig einen draufsattelt, die Hüften rollt wie schwerer Seegang und Langsam wirds heiß hier oben, wie ist es denn bei euch unten? Gottseidank regnets ja nicht, säuselt. Nützt aber auch nichts.

Dann endlich: Abjubeln. Die Gebr. Gibb und ihre Band stelzen auf die Bühne und singen, daß sie und wir ordinary people sind, die ordinary lives leaden bzw. liven. Das ist klasse, wir klatschen alle und sind euphorisch und sehr optimistisch. Der Kerl vor mir kratzt sich die Kimme, dann bohrt er in der Nase, die Bee Gees singen Juliet, ohoho Juliet, das Leben ist schön.

Niemand tremoliert so herrlich ziegenbockig wie Barry, Mähähähähässähächuhussähähätts, wie Jesus breitet er die Arme aus, mindestens hundert Meter weit blitzt sein Gebiß, aber Andy ist noch pflegeleichter, gestikuliert wie ein Rheumadeckenvertreter vor dem großen Abschluß und schmelzt I cry for you, oh Andy, gibbs mir!

How deep is your love umlüllt und umhüllt uns, vorbei die Zeiten, als Antworten auf diese Frage noch in Zentimetern gegeben wurden, jetzt geht's ums nackte Staying alive, staying alive, hu-hu-hu-hu, staying alive, da hat auch die Macht der Gefühle wieder ihren Reiz, und das Flugblatt der Aids-Hilfe empfiehlt folgerichtig. Absolute Treue in einer stabilen Partnerschaft. Der Macht die Gefühle. Alles wird gut.

wiglaf droste