Betroffene dürfen zum Fachkongreß

7. Internationales Symposium „Adapted Physical Activity“ - der größte Kongreß in der Geschichte des Behindertensports / Erstmalig waren auch Sportler eingeladen  ■  Von Ralf Köpke

„Adapted Physical Activities“: der Begriff meint Bewegung, Spiel und Sport für Behinderte, Kranke und alte Menschen. Er gab auch dem bisher größten Kongreß in der Geschichte des Behindertensports den Namen. Über 800 Sportwissenschaftler, Mediziner, Pädagogen, Psychologen und Therapeuten aus 45 Ländern diskutierten Ende vergangener Woche vier Tage lang im Internationalen Congreß Centrum (ICC) in Berlin.

Auch aus der UdSSR, Polen, und der DDR waren Wissenschaftler zum „7. Internationalen Symposium“ gekommen. Recht schnell stand der Ort der Veranstaltung in der Kritik: Nur mit sehr viel Improvisation schaffte es die Messeleitung, Rollstuhlfahrern die Teilnahme an den Arbeitskreisen zu ermöglichen.

„Neu an diesem Symposium war wirklich die Mischung“, meinte der israelische Sportwissenschaftler Yeshayahu Eutzler nach Abschluß der Tagung. Theoretiker, Praktiker und vor allem behinderte Sportler hätten erstmals an einem Strang gezogen. Es waren nicht nur die zahlreichen Workshops, die den Weltkongreß lebendig machten, sondern auch ein Demonstrationsabend mit einigen Spitzenathleten aus dem Behindertensport. Auf den sechs vorangegangenen Fachkongressen hat es dagegen Theorie pur gegeben: Keiner der früheren Organisatoren hatte anscheinend daran gedacht, Aktive einzuladen.

Die meisten Beteiligten zogen diesmal ein positives Fazit. Jupp Dahlmanns beispielsweise, Sportsekretär im Behinderten -Sportverband Nordrhein-Westfalen, haben „die praktischen Angebote wirklich Anregungen für unsere weitere Arbeit gegeben“. Und Dr. Gudrun Doll-Tepper von der Organisationsleitung war „überrascht, welchen breiten Raum der Gedanke der Integration auf allen Ebenen eingenommen hat“. Immerhin gibt es in der Bundesrepublik etwa fünf Millionen Behinderte (180.000 davon sind in Sportverbänden organisiert).

Dabei wurde nicht nur die (sportpolitische) Einbindung der Behindertensportler in die Olympischen Spiele angesprochen (siehe Bericht unten). Die Referenten hätten viele gute Ideen gehabt, wie das Zusammenleben mit Behinderten in Schule, Universität, Freizeit und Beruf zu verbessern ist. „Wenn sich aus diesen Vorschlägen Gesetzesentwürfe entwickeln können, hätte der Kongreß Immenses geleistet“, hofft Doll-Tepper.

Nachholbedarf gibt es hierzulande genug. Während „Adapted Physical Activity“ zum Beispiel in den USA Lehrfach an den Universitäten ist und für jeden angehenden Sportlehrer zu den Pflichtkursen gehört, ist diese Kombination von Sportwissenschaft, Medizin und Sozialwissenschaft in Europa noch weitgehend unbekannt. Doch es tut sich was: In Berlin wird im nächsten Jahr ein Ergänzungsstudiengang „Prävention/Rehabilitation/Behindertensport“ an der Freien Universität eingerichtet.

Enttäuscht war Sportwissenschaftlerin Doll-Tepper, deren Engagement diesen Kongreß erst möglich gemacht hat, allerdings von der Unterstützung der Wirtschaft. Gerade nach den „aufsehenerregend verlaufenen“ Paralympics von Seoul gab es Hoffnungen, auch aus diesen Kreisen Sponsoren zu finden. „Auch dort muß ein Umdenken stattfinden.“ Zur Deckung des Budgets von rund einer Million Mark haben zum Schluß noch 20.000 gefehlt, obgleich 900.000 Mark von öffentlichen Stellen aufgebracht wurden. Doll-Tepper: „Jetzt, wo der Kongreß so gut geklappt hat, hoffe ich, daß das Geld auch noch irgendwie zusammenkommt“.