Rheineisen wollte sich reinwaschen

■ Düsseldorfer Firma wollte Vorprodukt für Senfgas liefern / Kaufvertrag bei Firmendurchsuchung gefunden / Zoll hatte Lieferung angeblich für unbedenklich erklärt / Zollbehörde widerspricht der Darstellung / Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Firmenmanager

Berlin (taz) - Im neuesten Giftgasskandal kommen nach und nach die Einzelheiten ans Licht: Die „Rheineisen Chemical Products“ hat zugegeben, daß sie über 250 Tonnen Thionylchlorid - Grundstoff für die Produktion von Senf gas - an den Iran liefern wollte. Nachdem bei der Durchsuchung der Firmenräume eine Kaufvertrag gefunden wurde, ermittelt seit gestern die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gegen die Manager wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Inzwischen hat auch die Düsseldorfer Zollbehörde der Darstellung der Firma widersprochen, sie hätte das geplante Geschäft für unbedenklich erklärt. Die Auslieferung der Chemikalien in Indien wurde mittlerweile gestoppt.

Der Rheineisen-Anwalt Georg Greeves räumte jetzt ein, daß über 257 Tonnen Thionylchlorid von der Herstellerfirma Transpec in Indien an den Iran geliefert werden sollten. Das Geschäft sollte über die Firma Rheineisen abgewickelt werden. Der Vertrag über die Lieferung sei am 1.Juni mit der iranischen Einfuhrbehörde „Vezarate Defa“ geschlossen worden. Die Finanzierung habe das iranische „Defence Industries Office“ mit Sitz in Düsseldorf übernommen. Auch bei der Rheineisen soll es sich nach seinen Worten um ein „iranisches Familienunternehmen“ handeln.

Nach den Protesten der amerikanischen Regierung und dem Eingreifen der deutschen Zollfahndung soll Greeves zufolge der Prokurist von Rheineisen die Verträge storniert und die Verladung der ersten Teillieferung von 120 Tonnen am Mittwoch im indischen Hafen im letzten Augenblick gestoppt haben.

Die Hinweise auf den geplanten Deal mit den Senfgaskomponenten kamen von US-amerikanischen Geheimdiensten. Mitte letzter Woche hatte der amerikanische Außenminister James Baker seinen Bonner Kollegen Genscher in Washington auf die „angebliche Beteiligung deutscher Unternehmen an einer Beratung des Irans bei der Lieferung von C-Waffen-Vorprodukten“ angesprochen.

Wie die Firmenleitung verschanzte sich auch der Anwalt hinter der Behauptung, das Transitgeschäft sei bei der Düsseldorfer Zollbehörde als unbedenklich eingestuft worden. Er kündigte an, umgehend einen Antrag einzureichen, damit das Ermittlungsverfahrens eingestellt wird. Das Unternehmen hätte sich mehrmals nach der Zulässigkeit der geplanten Lieferungen erkundigt, und die Mitarbeiter des Zolls Fortsetzung auf Seite 2

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hätten noch am 22. Mai erklärt, daß die Chemikalie keinerlei Handelsbeschränkung unterliege. Ein Beamter hätte wenige Tage später lediglich um eine schriftliche Mitteilung des Herkunftslandes und des Empfängers gebeten. Auch dann sei kein Einspruch erfolgt. Ein Schreiben der Zollbehörde, in dem eine Transitgenehmigung als nötig bezeichnet wurde, sei erst am Mittwoch dieser Woche eingetroffen

einen Tag nachdem die Zollfahndung die Räume des Unternehmens durchsucht hatte. Das Düsseldorfer Hauptzollamt widesprach dieser Darstellung. Im Gespräch mit der Firma habe es „in keinster Weise auch nur den Hauch einer Andeutung gegeben, daß keine Bedenken bestünden“. Auch im Bundeswirtschaftministerium stoßen die Aussagen des Firmenanwaltes auf Unverständnis. Der Grundstoff für die Herstellung des Giftgases rangiert auf einer Liste von 19 „gefährlichen Stoffen“. Sowohl Export- als auch Transitgeschäfte unterliegen seit

dem 12. April den Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes und sind damit genehmigungspflichtig. Die zuständige Behörde sei nicht der Zoll, sondern das Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn. Das müßte auch Zollmitarbeitern bekannt sein.

Als Strafrahmen für derartige Verstöße gegen das Außenwirtschaftgesetz nannte die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft „bei Fahrlässigkeit“ eine Strafe zwischen einer Geldbuße und einer Freiheitssttafe von bis zu einem Jahr. „Bei Vorsatz“ könne auch Strafhaft von bis zu drei Jahren verhängt werden. In der Vegangen

heit sind solche Verstöße in der Regel als Ordnungswidrikeit mit relativ niedrigen Geldstrafen geahndet worden. Ungeachtet des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens weist der neue Skandal aber auf erhebliche gesetzliche Lücken hin. Hätten die „Rheineisen„-Manager das Geschäft als Makler vermittelt und wären sie dabei nicht als Käufer oder Verkäufer in Erscheinung getreten - nach dem Außenwirtschaftsgesetz wären sie strafrechtlich nicht belangbar. Eine Maklertätigkeit ist im Gesetzestext nicht aufgeführt.

wg