Lange leere Kajen hinter der Hafenschleuse

■ 2.000 gut versteckte Arbeitsplätze im „Industriehafen“ / Hafenbetriebe demonstrierten den Erfolg der Schleusenvergrößerung

An langen leeren Kajen führt jede Bremer Hafenrundfahrt vorbei. Die Mechanisierung des Hafenumschlags hat nicht nur die Handarbeiter vertrieben, sondern auch die Schiffe. Mit Containerbrücken und automatischen Förderanlagen sind sie in wenigen Stunden beladen oder gelöscht. Hohe Liegegebühren zwingen dazu, daß es so schnell wie möglich wieder „Leinen los“ heißt. Doch trotzdem gibt es einen auffälligen Unterschied zwischen der üblichen Ausflugstour durch die Häfen und der Rundfahrt, zu

der Klöckner gestern Behördenvertreter, Hafenbetriebe und Journalisten auf eine kleine Hafenbarkasse lud: Keine Tide bringt die Schiffe an den Kajen des Industriehafens ins Wippen im Sechseinviertel-Stunden-Rhythmus.

Der Grund dafür war auch der Grund der Einladung zur Rundfahrt: Die über 80 Jahre alte Schleuse, die den Industriehafen von Weser und Gezeiten trennt, war Ende 1980 mit 84 staatlichen Millionen Mark saniert und vergrößert worden, damit alle

Schiffe des „Panama-Kanal Maßes“ hineinpassen. Jetzt, acht Jahre danach, wollten die Nutzer des Industriehafens beweisen, daß sich die Investition gelohnt hat, und für ein weitere Vertiefung der Durchfahrt werben.

„Runde 2.000 Arbeitsplätze hängen von der Schleuse ab“, erfuhren deshalb gestern gut 30 Männer, die der Klöckner -Einladung auf die Barkasse gefolgt waren, „um 23 Prozent konnte der Umschlag im Industriehafen seit Vergrößerung der Schleuse gesteigert werden“. Von den vielen Arbeitsplätzen sind vom Wasser aus kaum mehr als zwei Dutzend zu sehen. Ein paar Kranführer sitzen in hundert Meter Höhe in ihren Kabinen, einige Stauer fegen die Reste zusammen, die beim Düngemittel-Umschlag neben das Förderband gefallen sind; ansonsten ist kein Mensch in Sicht.

Auf der Barkasse berichten unterdessen die Geschäftsführer der Betriebe hinter den Kajen über ihre wirtschaftlichen Erfolge. Bei Klöckner werden gerade Stahlbleche auf einen chinesischen Frachter verladen - „zur Fahrradproduktion“, meint der Klöckner-Sprecher. Gegenüber lagern Granitblöcke aus Indien, Dünger, Baustoffe und Fischmehl - „wie Sie riechen können“, ergänzt der Geschäftsführer überflüssigerweise. Bei Röchling wird gerade eine Ladung westafrikanisches Tropenholz aus dem liberianischen Frachter „Liberator“ gehievt, Schrottautos türmen sich an der Klöckner-Rohstoff-Kaje.

Auf der Barkasse nicht vertreten - und auch unerwähnt bleiben allerdings zwei Firmen im hinteren Teil des Hafens. Die eine

heißt „Plump“ und mischt im Hafen F Giftmüll in Container, die dann per LKW auf die Sondermülldeponie nach Schönberg/DDR gebracht werden. Während Plump vom Wasser aus unscheinbar daliegt und nur ein stechender Geruch auf die Firma hinweist, macht ein Hafenbecken weiter „AN“ mit einem Windrad auf sich aufmerksam. In der Maschinenbaufabrik, die ehemals zum Voith-Konzern gehörte, stellen die Arbeiter heute in Selbstverwaltung Öko-Tech her.

Gegenüber des kleinen Windrads wächst der Schornstein des Kraftwerks Hafen in den Himmel. Wie ein Wespennest klebt an seiner Außenseite, gestützt von

tausenden Tonnen Stahl, die neue Entschwefelungsanlage. „Der größte Autokran der Bundesrepublik steht noch daneben“, erzählt der Vertreter der Stadtwerke. Mit einer Million Tonnen Kohle pro Jahr gehört das Kraftwerk Hafen zu den größten Umschlagbetrieben des Hafens - zumindest nach Gewicht gemessen.

Was den Wert angeht, liegt nach wie vor die senatseigene „Bremer Lagerhausgesellschaft“ vorn. Sie allerdings hatte keinen Vertreter zur Industrie-Hafenrundfahrt geschickt. „Die sehen uns als Konkurrenz“, lacht der Geschäftsführer eines mittleren Umschlag-Betriebes über die Eitelkeit des größten. Außerdem

habe die BLG den Vorteil der tidefreien Kajen hinter der Schleuse überhaupt erst jetztschätzen gelernt, an der Initiative für den Ausbau hatte sich die BLG damals nicht beteiligt.

Zurück im Klöckner-Hafen kommt der kleinen Barkasse ein riesiger Erz-Frachter aus dem Schleusentor entgegen. Mit einer eigenen Ladebrücke wird er in wenigen Stunden einen ganzen Erzberg an Land schaufeln. Doch damit wird es bald vorbei sein. Klöckner baut bereits an den Kajen des „Weserports“, an denen künftig alles Erz gelöscht werden soll - ohne vorher die Schleuse passieren zu müssen.

Dirk Asendorpf