NOCH VOR DER RENTE

■ „Kulturleiche SO36“ will von den Toten auferstehen

Die Decke hängt zwölf Zentimeter durch, durch die Ritzen kann man in den Himmel gucken. Von den versprochenen Stahlträgern oder gar Dachbegrünung kann nicht die Rede sein. Als Kulturmumie eingemottet fühlt sich die ehemalige Nutzergruppe des legendären, seit zwei Jahren zugemauerten S036. Einer von ihnen hat sich als solche, mit Baustellenband bandagierte Mumie gleich mit an den Tisch der Pressekonferenz im „Interglotz“ gesetzt. Hier organisiert die SUB-Opus-Gruppe seit einem dreiviertel Jahr wöchentliche Ausstellungen, doch sie will wieder zurück ins alte SO, um das drei Jahre lang praktizierte offene Konzept spartenübergreifender Kulturveranstaltungen mit und für den Stadtteil, durch professionelle Erfahrungen erweitert, wiederaufzunehmen.

Seit zwei Jahren versprechen Eigentümerin Gesa, Bezirk und IBA, das alte SO36-Gebäude zu sanieren und der ehemaligen Nutzergruppe als kulturelle Mehrzweckeinrichtung wieder zur Verfügung zu stellen. Doch seitdem das SO aus baupolizeilichen Gründen im Februar '87 geschlossen werden mußte, und die durch SUB-Opus gebündelten Initiativen und Theatergruppen von einem Tag auf den anderen auf der Straße standen, hat sich nichts getan. Anfangs stellte zwar das Bezirksamt 80.000 Mark für Ordnungsmaßnahmen zur Verfügung, um die Sanierung voranzutreiben. Aber als bei genauerer Untersuchung der maroden Bausubstanz die Mängelliste immer länger wurde, stieg die anfangs veranschlagte Bausumme von einer Million Mark auf das Doppelte und bereitet jetzt den Trägern offensichtlich Bauchschmerzen. Ursprünglich sollte das S0 im Dezember '88 wiederhergestellt sein, dann wollte man zu diesem Zeitpunkt wenigstens anfangen, und jetzt tropft es durchs abgedeckte Dach, ohne daß Aktion in Sicht ist. Die Nutzer fordern von Bezirk und rot-grünem Senat, die Absichtserklärung „dezentrale Kultur“ mit einem konkreten Projekt inhaltlich zu füllen. Sie befürchten jedoch, daß aufgrund des fragwürdigen Verteilerschlüssels (für ganz Kreuzberg vier Stellen und 400.000 Mark) für sie nichts abfällt. Da das SO aber auch in Zukunft nichtkommerziell arbeiten will, das heißt mit Eintrittspreisen, die der sozialen Struktur Kreuzbergs angemessen sind, und noch nicht bekannte oder experimentelle Projekte und KünstlerInnen fördern will, brauchen sie Unterstützung vom Bezirk: Mietfreiheit und die Einrichtung von sieben bezahlten Stellen. Man will die „Hausmacht“ haben, um das Image des SO über die platte Gedankenkette „SO36 - Heinrichplatz Randale“ hinaus als „Experimentierfeld für innovative Potentiale im Kiez“ im öffentlichen Bewußtsein zu verankern.

Doch zunächst muß erst mal gebaut werden, und zwar „bevor wir in Rente gehen“. Der nächste Schritt wäre, die neue Bausumme von zwei Millionen zu bewilligen, damit endlich mit der Sanierung begonnen werden kann. SUB-Opus ist frustriert, daß offensichtlich ohne den Beschleunigungsfaktor „Trüffelschweine“ zwischen Bau- und Kulturbehörden nichts läuft.

DoRoh