„Die alte Klemme“

Architekt Hans Müller zu den Fehlern von damals und dazu, wie sie heute wiederholt werden  ■ I N T E R V I E W

taz: In der Phase des Wiederaufbaus hatte man seine Erfahrungen mit dem sozialen Wohnungsbau gemacht. Billig, schnell und schlecht war die Devise. Setzte das Märkische Viertel diese Wohnungsbaupolitik nicht mit etwas Fassadenkosmetik fort?

Hans Müller: Das, was an Generationen von 1945 herübergekommen war, war ja nicht irgendwo abgetreten, sondern das war genauso wieder da. Dieser Vorgang hat sich so dargestellt, daß nicht sehr toll gebaut wurde. Und die jüngere Generation hat sich dagegen dann aufgelehnt. Das Märkische Viertel ist gewissermaßen ein Mutationssprung gewesen, in dem sich die jüngeren Leute durchgesetzt haben und gesagt haben: Lieber ein Kompromiß, als diesen Mist hinzunehmen, der so schlechthin überall gebaut wurde. Das Märkische Viertel war - verglichen z.B. mit dem Falkenhagener Feld - der Versuch, etwas mehr Inhalt hineinzubringen, das heißt Stadtrandlandschaft anders zu verstehen, als daß man da nur Zeilen ablädt.

Würden Sie das Märkische Viertel heute noch mal bauen?

Ich würde niemals nach 30 Jahren sagen, ich bau‘ das genauso wieder. Das ist gerade so, als wären 30 Jahre bei mir nichts passiert - da ist aber eine Welt vorbeigegangen. Die Frage beantwortet sich für mich anders: Es gibt Dinge, die man damals nicht finanzieren konnte, die man heute aber finanzieren kann. Deshalb würde das Märkische Viertel, wenn ich es wieder bauen würde, wohl in der Struktur so aussehen, aber in seiner ganzen Ausbildung im Sinne von Wohnwert würde es sich anders darstellen.

Wie sehen Sie die aktuelle Situation angesichts der Wohnungsnot?

Das Interessante ist, daß die Stadt in genau derselben Klemme sitzt wie damals. Man sucht wieder Grundstücke, man geht wieder hoch und man tut alles, um Wohnungen zu bringen. Und letztendlich hängt man mit seinem ganzen politischen Glück daran. Es sind genau die Symptome, die damals, 1960, auch eine Rolle gespielt haben. Das ist natürlich eine schlechte Voraussetzung für eine langfristige politische Entwicklung. Unsere heutige Wohnungsnot hätte früher erkannt werden müssen. Daß man jetzt alles im Galopp macht, das kann nicht gut sein für solche Bauprozesse.

Welche städtebauliche Konzeption ist Ihrer Meinung nach zukunftsweisend?

Ich würde vorschlagen, zugunsten des Landes lieber im Standtrandgebiet hoch zu bauen. In der Stadtrandzone, kann ich mir vorstellen, kann man auch Hochbebauung bringen. Das Märkische Viertel ist ein Versuch, mit großen Armen einen Großteil der Lauben zu erhalten, als Humus, sozial gesehen.

Interview: Thomas Langhoff