„Nicht für Abtreibungen, aber gegen den 218“

Urteil des Bochumer Arbeitsgerichts: Forderung nach Abschaffung des § 218 durch den Arzt eines katholischen Krankenhauses kann fristlose Kündigung nicht rechtfertigen / Der Fall hatte im Ruhrgebiet eine Kampagne ausgelöst  ■  Von Bettina Markmeyer

Bochum (taz) - Die Forderung nach Abschaffung des Paragraphen 218 richtet sich gegen ein staatliches Strafgesetz, nicht aber direkt gegen die Kirche - sie könne deshalb auch nicht automatisch Kündigungsgrund für Angestellte einer katholischen Einrichtung sein. Mit dieser Begründung gab gestern das Bochumer Arbeitsgericht der Klage des Internisten Dr. Peter Schröder statt, der im Februar 1989 vom Elisabeth-Krankenhaus in Bochum fristlos gekündigt worden war, weil er sich im Januar an der 'Stern'-Kampagne gegen den § 218 beteiligt hatte.

Zwar habe Schröder, so Arbeitsrichter van der Leeden, der sein Urteil „rein arbeitsrechtlich“ begründet sehen wollte, seine Pflicht zur Loyalität gegenüber dem katholischen Arbeitgeber (nach dem sogenannten „Tendenzschutzparagraphen“ und der in der Verfassung verankerten Kirchenautonomie) verletzt, doch wiege dies nicht so schwer, daß das „schwerste Geschütz“, die fristlose Kündigung, habe aufgefahren werden müssen. Außerdem habe Schröder „ein handfestes Berufsinteresse“ auf seiner Seite, da er sich als Arzt gegen ein Gesetz gewendet habe, das unmittelbar die ärztliche Praxis betreffe.

Ein Erfolg für Schröder und die Bochumer 218-GegnerInnen. Vor Gericht wiederholte der Arzt, was er in den letzten Monaten immer wieder und auch am Abend vor seinem Prozeß auf einer Solidaritätskundgebung des DGB öffentlich gesagt hatte: „Ich bin nicht für Abtreibungen, aber gegen den 218. Ich will die Entscheidung von Frauen respektieren.“ Wie viele seiner KollegInnen wehrt er sich gegen eine weitere Verschlechterung des Arzt/Ärztin-PatientInnen-Verhältnisses durch die vom geplanten Beratungsgesetz erzwungene Ausforschung persönlicher Verhältnisse.

Zwei Wochen, nachdem am 26.Januar sein Foto und seine Unterschrift unter der Forderung „Schafft den 218 ab“ im 'Stern‘ erschienen waren, erhielt Peter Schröder die fristlose Kündigung. Schröders Äußerung im 'Stern‘ sei, so Verwaltungsdirektor Franz-Rainer Kellerhof damals, „ein großer Verstoß gegen die kirchlichen Grundsätze“. Schröder, der beruflich nichts mit Abtreibungen zu tun hat, sollte sich von seiner Äußerung im 'Stern‘ distanzieren. Wie, vermochte auch der Verwaltungsdirektor nicht genau zu sagen. Für den Arzt ein indiskutables Verlangen.

Der mündlichen Kündigung durch Kellerhof, der die MitarbeiterInnen-Vertretung des Elisabeth-Hospitals nicht zustimmte, folgte am 15.Februar die schriftliche. Diesmal zusätzlich fristgerecht und mit Zustimmung der MitarbeiterInnenvertretung. „Einstimmig“, so ihr Vorsitzender Dr. Hartwig Neumann zur taz, sei der Beschluß gefallen. Mehr könne er zu dem Gesinnungswandel nicht sagen. „Sie verstehen, Personalangelegenheiten.“ „Eine Schweinerei“, nannte Günter Dickhausen, Bochumer ÖTV -Vorsitzender, die „Personalangelegenheit“ im St.Elisabeth -Krankenhaus. Der Frauenausschuß der ÖTV koordinierte die Unterstützung für den Arzt. Bis zum gestrigen Gerichtstermin sammelten die GewerkschafterInnen über 8.000 Solidaritätsunterschriften. Gegen die „Arbeitgeberwillkür“ setzten sie das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.

Innerhalb des Krankenhauses erhielt Schröder keine Unterstützung gegen die Kündigung, obwohl er als Kollege weiterhin geschätzt wird. „Viele haben aber bei mir zuhause angerufen, vor allem Schwestern“, sagt er. Es blieb den Gewerkschaften, Pro Familia und Frauengruppen überlassen, Schröder in Bochum und im ganzen Ruhrgebiet zu unterstützen. Auch die evangelische Kirche setzte sich für ihn ein und versuchte, allerdings erfolglos, ihm bei der Stellensuche zu helfen. Durch die Kündigung mußte er seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin abbrechen. Zweieinhalb Jahre hatte er im Elisabeth-Krankenhaus gearbeitet, zum Schluß nur noch mit 20 Wochenstunden. „Entsprechend knapp war jetzt das Arbeitslosengeld für meine Familie und mich“, sagt Schröder.

Seine Arbeit hat Schröder mit dem Erfolg vor Gericht noch nicht wieder. Das Elisabeth-Krankenhaus wird ihn nicht weiterbeschäftigen, „mich einzustellen, fällt aber auch anderen Kliniken nicht leicht“. Die St.Elisabeth-Stiftung, Trägerin des Bochumer Krankenhauses, will vor dem Landesarbeitsgericht in Hamm in Berufung gehen.