„Was sollen die Grünen schon machen?“

„In der Sommerpause kann passieren, was will...“, seien es Massaker oder Hinrichtungen in China, die Grünen zieht es in die Ferien - das konstatiert Jürgen Maier, im Bundesvorstand der Grünen zuständig für die Abteilung Internationales  ■ I N T E R V I E W

taz: StudentInnen, die das Massaker von Peking überlebten, haben eine weltweite Solidarität eingeklagt. Davon ist in der Bundesrepublik kaum etwas zu spüren. Auch die Grünen vermeiden es, mehr als ein Räuspern von sich zu geben.

Jürgen Maier: So ist es nicht. Wir haben durchaus deutliche Worte des Protestes erklärt und auch im Bundestag eine wichtige Rolle bei der gemeinsamen Erklärung der Parteien gespielt. Das Problem ist nur, daß wir als kleine Partei nicht in der Lage sind, die Öffentlichkeit so zu mobilisieren, wie es sein müßte.

Welche Diskussionen hat der Bundesvorstand geführt?

Dort gab es Diskussionen, wie man über die übliche Form der Presseerklärung, Parlamentsanfragen und der Kundgebung vor der chinesischen Botschaft hinaus mehr tun könne. Wir haben am Montag beschlossen, dem chinesichen Studentenverband in der Bundesrepublik eine größere Summe zur Verfügung zu stellen für seine Arbeit und die Kontakte nach China. In der Diskussion über größere Aktionen hier sind wir nicht weitergekommen, weil es negative Erfahrungen gab, zum Beispiel mit der VDS-Demonstration am 10.Juni in Bonn: nur 100 Studenten aus der ganzen Bundesrepublik haben es für nötig gefunden, sich mit ihren chinesischen Kommilitonen zu solidarisieren.

Und wo blieben die 40.000 Mitglieder der „kleinen Partei“?

Das ist eine gute Frage. Die befinden sich in Kommunalparlamenten, sind entweder zahlende Karteileichen oder völlig überlastet. Die eindrucksvolle Mitgliederzahl auf dem Papier entspricht keineswegs der Aktionskraft der Grünen.

Jetzt hast Du eindrucksvoll geschimpft auf die StudentInnen und die grüne Basis. Aber auch der Bundesvorstand hat doch nichts anderes getan, als sich mit einer Geldüberweisung seiner politischen Verantwortung zu entziehen.

Ja gut, wie ich schon sagte, wir haben mit sehr deutlichen Presseerklärungen und Briefen an Genscher reagiert, Gespräche mit den chinesischen Studenten geführt und ihre Demonstrationen logistisch unterstützt. Was soll man noch mehr tun, wenn die Grünen da völlig auf sich allein gestellt sind? Die Friedensbewegung schläft, und aus anderen gesellschaftlichen Kreisen ist auch nicht viel mehr gekommen. Das können die Grünen nicht kompensieren.

Es soll vorgekommen sein, daß Linke sich wenigstens den Kopf darüber zerbrochen haben, wie eine Solidaritätsbewegung aufzubauen wäre, wenn sich spontan nichts entwickelt. Damit scheint sich der grüne Bundesvorstand nicht zu quälen.

Das ist ein falscher Eindruck. Es gab bei uns große Diskussionen, weil wir alle sehr betroffen sind. Aber über die genannten Aktionen hinaus sind uns mehr Sachen nicht eingefallen. Ich halte Aktionismus, der in solchen Flops endet wie die VDS-Demo, für nutzlos. Zugegeben, das klingt etwas hilflos. Aber von allen Parteien haben wir am meisten getan.

Bisher war ich davon ausgegangen, daß zwar für die Bundestagsfraktion Presseerklärungen und kleine Anfragen die schärfsten Waffen sind. Hinsichtlich der Gesamtpartei vermutete ich, sie beanspruchte, ein meinungsbildender Faktor innerhalb der Linken zu sein.

Über eine politische Einschätzung der weiteren Entwicklung in China haben wir noch nicht geredet. Ich hoffe, daß sich manche Leute nach der Sommerpause etwas stärker in die Arbeit stürzen, als das jetzt der Fall ist. Dann werden wir öffentlichkeitsmäßig mehr einsteigen können. Allerdings dürfte selbst eine größere Mobilisierung hier nur sehr wenige Leute in Peking beeindrucken.

Von dem Problem geringer, direkter Wirksamkeit hat sich die Anti-Apartheid-Bewegung nicht derart einschüchtern lassen, wie Du es für den Fall China behauptest.

Erstens, in der Sommerpause kann passieren was will, da mobilisierst Du heutzutage niemanden. Zweitens, die Grünen sind keine Insel der Gesellschaft, die sich im Zustand der permanenten Aktivität befindet. Was die Grünen gemacht haben, ist noch einigermaßen gut. Politische Aktivierung steht zur Zeit nicht hoch im Kurs. Ich kann nicht mit Hilfe des Parteivorstandes die gesamte Gesellschaft in Bewegung setzen. Solchen Erwartungen können wir leider nicht gerecht werden.

Ist ein Nachdenken über die internationale Solidarität tatsächlich zuviel verlangt? Den Internationalismus hat der frühere Fundi-Flügel für sich permanent reklamiert.

Die hehre Bezugnahme des Fundi-Flügels auf die außerparlamentarische Bewegung war immer eine Fiktion. Die Grünen können nicht im Alleingang die linke Bewegung auf Vordermann bringen. Mehr als ihren Apparat halbwegs in Bewegung zu setzen, schaffen die Grünen zur Zeit nicht.

Interview: Petra Bornhöft