Gott Japans in Fischtown

■ Lutz Colani will den Bremerhavenern wie ein Fels in der Brandung sein / Design-Visionen

Den Bremerhavenern versprach er, aus ihre kühlen Köpfen „Wärme in psychischer Hinsicht zu erzeugen“. Uwe Beckmeyer salbte den Guru mit einer öligen Vorrede: „Der Designer von Weltruf ist ein Mann der Kunst, der Form und der großen Geste“.

Beckmeyer verglich ihn mit Leonardo da Vinci, beide seien Pioniere der Kunst: „Colani - eine gestalterisch-potente Kraft.“

Ist Luigi Colani der neue Messias für Bremerhaven? Mehrere hundert Menschen, praktisch alles, was in der Stadt Rang und Namen hat, kamen am Sonntag morgen ins Weser-Forum, um an der feierlichen Eröffnung einer Ausstellung mit Objekten des 61jährigen Design-Papstes teilzuhaben.

Sie war in Windeseile von Bonn nach Bremerhaven transportiert worden, die Wirtschaftsförderer hatten daran gedreht, Uwe Beckmeyer hatte geholfen, die Kunsthalle war als Träger eingesprungen - und am Sonntag stand Luigi Colani, der gebürtige Berliner mit dem Namen Lutz leibhaftiv vor den Versammelten.

„Hier ist ein Potential vorhanden, das sitll liegt, mit dem wir zu arbeiten gedenken“, verriet Colani. Nach der Ouvertüre folgte sein Vorschlag: er plane ein Design -Zentrum, in dem Frauen 55% „des Ladens“ übernehmen entsprechend dem prozentualen Anteil an der Weltbevölkerung. Womit sollen sie sich unter dem Bild des Meisters beschäftigen? Mit frauentypischem Design. Sein Beispiel: die Suppenkelle.

Im Bundesland Bremen mit den meisten Millionären pro Kopf und den meisten Arbeitslosen will Colani - seit längerem übrigens

-„die Verhältnisse ein bißchen aufmischen“. Als Nummer 1 im asiatischen Design habe er 700.000 Menschen zu Arbeit und Brot verholfen, da werde es ihm, versicherte er, nicht schwerfallen, die wenigen Arbeitslosen hier zu integrieren. Es sei ihm an die Nieren gegangen, als er geehört habe, daß hier „die Lichter ausgehen“, er wolle „wieder Leben in die Bude“ bringen und „die Puppen zum Tanzen“. Bremerhaven solle einer der kommenden Emanationsräume von modernem Industrie -Design werden. Drei Tage will Colani sich der Stadt schenken, „300% mehr als anderen Städten“, die er zu Vorträgen besucht. „wenn ich einmal sage, ich komme, dann ist es wie ein Felsen in der Brandung.“ (Colani über Colani.

Beckmeyer lobte den prominenten Gast und sonnte sich als Bremerhavener: „Impotente Gestaltung ist eine Katastrophe für ein exportorientiertes Land.“ Der Mann, der die Design -Philosophie in unserem Land veränderte, werde in Japan wie ein Gott verehrt.

Für Bremerhaven kündigte der Senator zwar kein neuen Tempel an, aber immerhin den Aufbau eines neuen Design-Zentrums „von nationaler, vielleicht auch internationaler Demension“, eine Anlaufstelle für mögliche Auftragsgeber aus dem ganzen Bundesge

biet. Genaue Pläne werden, so Beckmeyer, in den Schubladen der Wirtschaftsdeputation gehütet und sollen nicht vor Anfang des nächsten Jahres veröffentlicht werden.

Der Titel von Colanis Ausstellung, die drei Wochen zu sehen sein wird, lautet: „Design-Visionen“. Aerodymisch heißt das Zauberwort. Zu sehen sind vor allem elegant geschwungene und windschnittige Flugzeugmodelle, Prototypen aus den Berner Werkstätten des Maestro, eine schnabelförmige Eisenbahn, Uhren , Brillen, Sektgläser, Kameras, ein extravagantes Solarium und Entwurfsskizzen von Hochgeschwindigkeits-Booten für ein Rennen auf dem Salzsee in Utah, das im Herbst stattfinden soll. Dafür hätte Colani gern 1 Million Mark von der Stadt, die es aber nicht geben wird.

Werner Lenz, Wirtschaftsstadtrat, intimer Gegner von Beckmeyer und Konkurrent um die kompetenteste Wirtschaftspolitik im Interessse der Seestadt, stand deutlich auf Distanz dabei. „Wir müssen geduldig überlegen, was wir mit Herrn Colani machen können.“ Lenz: „Wie müssen den Versuch machen, mit Colani ins Gespräch zu kommen.“ Beckmeyer dagegen: „Colanis Angebot ist von großem Interesse für uns. Wir werden es annehmen.“

Hans Happel