Kunst-Zwang der Psychiatrie

■ „Kunsträume zum Thema Zwang“ am Zentralkrankenhauses Ost

Neben dem letzte Woche eröffneten Krankenhausmuseum im Gelände des ZKH Bremen-Ost sind zur Zeit „Begehbare Kunsträume zum Thema Zwang“ zu sehen. Als Ergänzung zur dortigen Ausstellung über die Bremer Psychiatriegeschichte von 1904 bis 1934 setzen sich hier Betroffene künstlerisch mit ihren eigenen Psychiatrie-Erfahrungen auseinander.

Initiiert wurde das Projekt der Kunsträume vor einem halben Jahr vom „Kreativbüro“, einer Kooperative von Krankenhaus und Arbeiter-Samariter-Bund. Zwölf PsychiatriepatientInnen

schufen unter dem bezeichnenden Titel Zelle, Wachsaal, Tor zur Freiheit Sulpturen und Objekte - von Kreativbüro -Mitglied Lutz Graaf und der Künstlerin Gunhild Tuschen tatkräftig unterstützt.

Besonders eindrucksvoll ist eine von mehreren psychisch Kranken geschaffene Rauminstallation: Zu Beginn steht eine dunkle „Anguckungszelle“, ein Wachsaal für viele Personen schließt sich direkt daran an. Von ihm geht ein „Akutzimmer“ ab - für Men-schen, die in der Wachsaal-Atmosphäre zusammenbrechen und durchdrehen.

Es folgt ein Gruppenraum, Symbol für die „langsame Wiedergewöhnung an Freiheit“. In ihm hängt ein Karton mit einem Zerrspiegel, er steht für die Wahrnehmungsverfälschung durch Medikamente. Abschluß der Installation ist das Tor zur Freiheit; entworfen von einem Patienten einer geschlossenen Abteilung, der es in seinem Leben wohl nicht mehr durchschreiten kann.

Der Wachsaal wird durch räumlich geschickt arrangierte Klinikgeräusche akustisch untermalt, sie nötigen zur ständigen, hektischen Drehung des Kopfes. Der Sehschlitz zum „Akutzimmer“ läßt eine nackte, geschlechtsneutrale Person erkennen, neben ihr hängen Fesseln an der Wand. In diesem Raum wird die Persönlichkeit geraubt und sein Insasse zum hilflosen Objekt gemacht. Peter S., der die Zelle entwarf, wollte Außenstehenden die Möglichkeit geben, sich in seine Lage zu versetzten.

Seine Mitpatientin Gudrun sieht im Tor zur Freiheit nur einen vermeintlichen Ausweg. „Die Gesellschaft verstößt psychisch Kranke, die meisten die mal hier waren kommen immer wieder zurück“. Sie selbst ist seit ihrem 37. Lebensjahr in Frührente, da sie trotz guter Zeugnisse wegen ihrer Behandlung keinen Job in ihrem Beruf als Übersetzerin mehr bekam.

Peter S. und Gudrun befürchten, daß mit dem Stellenabbau im Kreativbüro durch auslauffende ABM-Verträge ihre Möglichkeiten „über kurz oder lang einschlafen“. „Denn draußen besteht fast kein Interesse an unseren Problemen, so daß der Druck der Öffentlichkeit fehlt“.

Stephan Bischoff

Bis Di in Bremen-Ost, 5.-9.7. auf der Breminale beim Schiffsmast auf dem Osterdeich zu sehen