Fiesta für Revolution und Solidarität mit Nicaragua

1.500 Menschen feierten bei „Nica-Libre“ und lateinamerikanischer Musik den zehnten Geburtstag der nicaraguanischen Revolution / Solidaritätsgruppen aus der ganzen BRD zeigten ihre Arbeit und zogen eine kritische Bilanz / Helfen ist schwieriger als erwartet  ■  Von Jochen Arntz

Bonn (taz) - Samstag nachmittag in Bad Godesberg: Auf der Terrasse der Stadthalle spielt die Kurkapelle „Bavaria“ Marschmusik für die wetterfesten Rentner. Gleich daneben im kleinen Saal spricht Omar Cabezas, der nicaraguanische Comandante, mit den bundesdeutschen Solidaritätsgruppen. Kaum hebt Cabezas an, von der Bedrohung Nicaraguas durch die USA zu berichten, da verläßt das Kurorchester endgültig das Feingefühl. When the saints go marching in hämmern die Musiker in den Saal. „Peinlich, macht die Türen zu“, ruft ein Zuhörer des Comandante. Cabezas nimmt den Zwischenfall mit einem Lachen. Schließlich war er zur Fiesta der Nicaragua-Solidaritätsgruppen nach Bad Godesberg gekommen.

„Zehn Jahre Revolution in Nicaragua - zehn Jahre Solidaritätsbewegung“ - unter diesem Motto auf den Transparenten feierten am Wochenende Solidaritätsgruppen aus der ganzen BRD in der Bad Godesberger Stadthalle. Zwischen Theke und Tombolastand präsentierten die Gruppen im Foyer ihre Solidaritätsprojekte. „Wir machen jetzt einen Diavortrag über ein Trinkwasserprojekt in Wiwili.“ Nur mühsam bahnte sich ein Freiburger mit lauter Stimme durch die Menschen. Gleich hinter ihm warb jemand anderes für eine Diskussion zu Städtepartnerschaften mit Nicaragua. Einträchtig standen sie beim „Nica-Libre“ (Rum und O-Saft) beisammen, VertreterInnen der verschiedensten Strömungen der Solidaritätsbewegung.

Das Spektrum der Gruppen in Bad Godesberg reichte vom Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit über Gewerkschaftsinitiativen, die Nicaragua-Vereine, VertreterInnen der Städtepartnerschaften bis zu den Jusos, der Kölner Nicaragua-Koordination und dem Wuppertaler Nicaragua-Informationsbüro. Während viele der Solidaritätsgruppen selbst per Video für ihre einzelnen Projekte warben, gab es auf der Bad Godesberger Fiesta vereinzelt auch nachdenkliche Stimmen zur Projektarbeit. In einer Diskussion zu zehn Jahren Solidaritätsarbeit gab Barbara Lucas vom Wuppertaler Informationsbüro zu bedenken: „Die konkrete Projektarbeit frißt oft den Raum und die Zeit für politische Aktionen in der BRD.“ Ihre Bilanz nach zehn Jahren Solidaritätsarbeit mischte die Feierstimmung dann auch mit einem Schuß Realismus: „Wir im Informationsbüro haben gedacht, daß es viel einfacher und schneller geht, die Lebensbedingungen der Bevölkerung in Nicaragua zu verbessern.“ Dennoch sei die Solidaritätsbewegung das wichtigste Gegengewicht gegen das Nein aus Bonn zur Wirtschaftshilfe, betonte Frau Lucas.

Comandante Omar Cabezas ließ für sich keinen Zweifel an der Wichtigkeit der Projektarbeit und der internationalen Solidarität. Stürmisch war die Rede Cabezas‘ auf der Abendveranstaltung in der Bad Godesberger Stadthalle begrüßt worden. Cabezas betonte, daß die BRD einer der ersten Orte war, wo die internationale Solidarität mit Nicaragua begann. Aber auch die Jahre vor der Entwicklung der Solidaritätsbewegung sprach er vor den ZuhörerInnen an: „Es hat Tausende von Menschenleben gekostet, bis die Welt sich bewußt war, wer und wo wir sind.“

Dr. Karin Benz-Overhage, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IGMetall, kündigte in Bad Godesberg eine weitere Verstärkung der Solidaritätsarbeit der Gewerkschaften an. Dies, so Frau Benz-Overhage, bleibe jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn nicht endlich von der Bundesregierung Wirtschaftshilfe an Nicaragua gezahlt werde.

Für die Nicaragua-Solidaritätsgruppen war die Fiesta in Bad Godesberg ein Erfolg. Über 1.500 Menschen waren in die Stadthalle gekommen. Die Präsentation der verschiedenen Gruppen stand in Bad Godesberg im Vordergrund.

Auf die eigentliche Fiesta mußten die BesucherInnen allerdings bis in den späten Abend warten. Ein völlig verrutschter Zeitplan führte dazu, daß erst dann Udo Lindenberg und drei lateinamerikanische Gruppen die Bühne betraten.

Zuvor hatte Dieter Müller von Medico International in einem Rückblick noch einmal auf die Heterogenität der Nicaraguasolidarität hingewiesen, die von revolutionär bis christlich die ganze Bandbreite abdecke. „Man wundert sich schon, was sich alles auf dieses kleine ferne Land bezieht“, bemerkte MÜller. Mit seinen Vorstellungen von der Zukunft der Solidaritätsarbeit ließ er allen Gruppen dann auch Platz genug für die eigene Interpretation: „Konkrete Unterstützung in Nicaragua und Auseinandersetzung mit dem gemeinsamen Gegner hier.“

Mit diesen Worten in den Ohren konnten alle feiern - und dies wollte man ja schließlich nach all den Reden schon, tief in der Nacht.