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Die Koalition der Saubermänner

■ In Athen geht die Linke mit der Rechten ins Regierungsbett, um die Katharsis zu bringen / Von K.Hillenbrand

Gestern startete in Griechenland die ungewöhnlichste Regierungskoalition der Nachkriegsgeschichte ihre Arbeit. Die rechte Nea Demokratia hat sich mit dem Linksbündnis zu einer Koalition auf Zeit zusammengeschlossen, um den Skandalen und Korruptionsaffären der Ära Papandreou auf den Grund zu gehen.

„Nieder mit den Dieben und Betrügern der Pasok!“ Hunderte Anhänger der konservativen Nea Demokratia (ND) feierten am Samstag die überraschende Regierungsbildung zwischen ihrer Partei und den Kommunisten. Kaum jemand hatte noch zu hoffen gewagt, daß man doch noch die Macht erobern könnte.

„Dies wird eine Regierung der Katharsis und der Demokratisierung“, erklärte der neue Ministerpräsident Tsannetakis am Samstag. In der Nacht von Freitag auf Samstag hatte sich das Linksbündnis aus Kommunisten und Unabhängigen mit der konservativen Nea Demokratia auf eine Koalition verständigt.

Neuer Regierungschef wird der 61jährige konservative Parlamentsabgeordnete Tsannis Tsannetakis. Das paradoxe Bündnis soll voraussichtlich für drei Monate regieren und hat als einzigen Programmpunkt die Katharsis - die Aufklärung der Skandale aus der Regierungszeit von Andreas Papandreou. „Nach drei Monaten“, so verkündete KP-Chef Charilaos Florakis sibyllinisch, „werden wir unsere Positionen überprüfen und entsprechend handeln.“

Es ist das erste Mal in der griechischen Geschichte, daß die Kommunistische Partei - wenn auch indirekt - an einer Regierung beteiligt wird. Bei den Wahlen am 18.Juni hatte das Linksbündnis mit etwa 13 Prozent (28 Sitzen) enttäuschend abgeschnitten. Die Nea Demokratia wurde mit 145 Sitzen im 300köpfigen Parlament zwar stärkste Partei, verfehlte aber knapp die absolute Mehrheit. Im neuen Kabinett erhält die „Allianz der Linken und des Fortschritts“ zwei Kabinettsposten. Innen- und Justizressort werden aber zukünftig nicht etwa von KP-Mitgliedern, sondern von Unabhängigen geleitet: Das Justizministerium, Schlüsselressort bei der versprochenen Aufklärung des Koskotas-Skandals, übernimmt der Chef der Athener Anwaltskammer, Fotis Couvelis. Neuer Innenminister ist Nikos Constandopoulos, Widerständler während der Obristenzeit und angesehener Strafverteidiger in politischen Prozessen.

Mit der gestern vereidigten Regierung geht in Athen eine Staatskrise zu Ende: Weil bei den Wahlen am 18.Juni keine Partei die absolute Mehrheit erreichen konnte, wurde 14 Tage lang zwischen Nea Demokratia, Pasok und dem Linksbündnis um die Regierungsbildung gefeilscht. Zuletzt hatte die Pasok eine von der Linken gefordete Allparteienregierung abgelehnt. Die jetzt erfolgte Regierungsbildung ist jedoch alles andere als eine handlungsfähige Administration.

Zu unterschiedlich sind die Positionen von Linken und Rechten, als daß es Ansätze für eine gemeinsame Politik von „Katharsis“ einmal abgesehen - geben könnte. Ob Nato -Mitgliedschaft, amerikanische Stützpunkte, Wirtschafts oder Sozialpolitik: die Meinungen von ND und Linksbündnis stehen sich diametral entgegen. So wird Griechenland in den nächsten Monaten nur verwaltet, nicht aber regiert werden. Ob das den Alltag in den nächsten drei Monaten sonderlich ändern wird, kann allerdings bezweifelt werden.

Großes Risiko für die KP

Mit der Rechts-Links-Koalition hat die „Allianz der Linken und des Forschritts“ ihr eigenes Wahlversprechungen gebrochen. Vor dem Urnengang schloß KP-Chef Florakis ein Bündnis mit der ND ausdrücklich aus. Vor eine Koalition mit der Pasok setzte das Bündnis aus orthodoxen und Eurokommunisten, unabhängigen Linken und ehemaligen Pasok -Funktionären hohe Hürden: Nur wenn alle am Koskotas-Skandal beteiligten Funktionäre und Minister einschließlich des Premiers Andreas Papandreou zuvor die politische Bühne verließen, sei ein Bündnis möglich. Das aber lehnte die Panhellenische Sozialistische Bewegung ab.

Die ND kann bei der Koalition nur gewinnen. Anders dagegen das Linksbündnis: Wie soll es ein eigenes, linkes Profil zeigen, wenn das Land gar nicht regiert, sondern nur verwaltet wird? An der völlig verwirrten linken Basis werden schon jetzt Befürchtungen laut, man könne bei den nächsten Wahlen unter die Zehn-Prozent-Marke rutschen.

Doch 40 Jahre nach dem verlorenen Bürgerkrieg und 15 Jahre nach ihrer Wiederzulassung war die Versuchung für die KP Griechenlands, zum ersten Mal an der Macht beteilgt zu werden, wohl zu groß. Auch wenn die neue Regierung nur für drei Monate im Amt bleibt, es ist ein „historisches Bündnis“. Die ehemaligen Gegner im Bürgerkrieg arbeiten zusammen - gegen den korrumpierten Verfechter des „griechischen Wegs zum Sozialismus“, Andreas Papandreou.

Die Skandale der Pasok-Regierung sind der Schlüssel für das Verständnis, wie es überhaupt zu dieser einmaligen Koalition von links und rechts kommen konnte. Um den griechischen Augiasstalls auszumisten, wird zunächst der Untersuchungsausschuß des vor den Neuwahlen aufgelösten Parlaments wieder eingesetzt. Hier soll geklärt werden, welche Verantwortung ehemaligen Pasok-Ministern bei der Affäre um den Großbetrüger Koskotas zukommt. Ein vom Parlament eingerichtetes Sondergericht dürfte sich um die Hauptverantwortlichen des Milliarden-Drachmen-Skandals kümmern. Ganz oben steht da Ex-Justizminister und Papandreous persönlicher Freund Menios Koutsojorgas. Aber auch der Direktor der griechischen Telekommunikation -Gesellschaft (OTE), Tombras, Ex-Minister Petsos und schließlich Andreas Papandreou selbst könnten sich auf der Anklagebank wiederfinden. Die Pasok, dieser Wille hält rechts und links zusammen, soll geschlachtet werden. „Die Räuber sind verurteilt“ - mit dieser Erfolgsbilanz will die ND in drei Monaten die Neuwahlen für sich entscheiden.

Flecken auf der

weißen Weste der ND

Daß dabei abgrundtiefe Enthüllungen, unglaubliche Verbindungen und peinliche Beziehungen zu erwarten sind, steht außer Frage. Fraglich erscheint allerdings ist, ob es der Nea Demokratia tatsächlich um die restlose Trockenlegung des Sumpfs geht. Denn so ganz unbeteiligt ist der Dunstkreis um Mitsotakis da nicht.

So gründete der Schwiegersohn des ND-Vorsitzenden, Bakojannis, zusammen mit dem Betrüger Koskotas eine Aktiengesellschaft, von der vermutet wird, daß sie über Fonds aus Koskotas‘ „Bank von Kreta“ finanziert wurde. Und dann gibt es noch einen mysteriösen Kontakt zwischen Koskotas und Mitsotakis selbst im Athener Hilton-Hotel, bei dem einige Scheine den Besitzer wechselten (und später zurückgegeben wurden).

Die wahren Ursachen für den Selbstbedienungsladen namens Regierung kann die Nea Demokratia schon gar nicht angehen. Es ist die gesellschaftliche Protektion des „schnell-reich -werdens“, die es dem Betrüger Koskotas erst ermöglichte, in aller Öffentlichkeit und ohne kritische Fragen vom kleinen Angestellten zum Besitzer eines Imperiums aufzusteigen. Anrüchiges Geld stinkt in Griechenland weniger als anderswo; Geld und Besitz werden nicht vornehm versteckt, sondern bereitwillig vorgezeigt. Daß der Staat korrumpierbar ist und der Reiche betrügt, ist eben keine neue Erkenntnis. Ein undurchsichtiges Beziehungsgeflecht zwischen der Klientel in der Provinz und den Patrons an den Fleischtöpfen in Athen sorgt für reibungslose Staatsgeschäfte und das Wohlergehen des Einzelnen. Jetzt werden die Patrons ausgewechselt. Am System ändert sich nichts.

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