: Lech Walesa stützt Kiszczak
■ Nach dem Verzicht Jaruzelskis auf das Amt des Präsidenten tritt Innenminister Kiszczak zur Wahl an
Berlin (dpa/ap/taz) - Endgültig hat sich die Solidarnosc -Fraktion noch nicht entschieden, wie sie sich bei der polnischen Präsidentenwahl verhalten wird. Doch nach Walesas jüngsten Äußerungen hat Innenminister Czeslaw Kiszczak gute Chancen, in der Nationalversammlung, die am Donnerstag oder Freitag zusammentritt, auch die Stimmen der Opposition zu erhalten. Nachdem General Jaruzelski am letzten Freitag überraschend von der Kandidatur zurückgetreten war, blieb zunächst noch ungewiß, ob Solidarnosc nicht selbst einen Kandidaten aufstellen würde. Inzwischen scheinen sich jedoch die Unterstützer Kiszczaks durchgesetzt zu haben. Die endgültige Entscheidung wird die Parlamentsfraktion aber erst kurz vor Zusammentreten der Nationalversammlung treffen.
Walesa hatte seine eigene Kandidatur von Anfang an in Frage gestellt. „Die politische Situation erlaubt dies noch nicht, und ich selbst bin nicht darauf vorbereitet.“ Außerdem sei die Kandidatenauswahl interne Sache des Regierungslagers. Ihm scheine aber, der Innenminister habe gegenüber General Jaruzelski bessere Chancen. Jaruzelski müsse jetzt für alles büßen, was in den letzten 40 Jahren in Polen schlecht gewesen sei. Inwieweit ihn wirklich Schuld treffe, darüber müßten die Historiker entscheiden. Kiszczak garantiere jedoch auch die Kontinuität der Parteireformer und habe sein Wort für freie Wahlen in vier Jahren gegeben.
Zur Begründung für seinen Verzicht hatte Jaruzelski erklärt, das Volk bringe ihn eher mit der Verhängung des Kriegsrechts 1981 als mit Reformen in Verbindung. Er wolle kein „Hindernis auf dem Weg zur nationalen Versöhnung“ sein. Zentralkomitee und kommunistische Abgeordnete drängten den bisherigen Staatschef, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken.
Doch die Entscheidung scheint schon zugunsten Kiszczaks gefallen zu sein. Denn selbst wenn die 173 Abgeordneten der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) in der Nationalversammlung sich für Jaruzelski entschieden, wäre er auf die Stimmen der nichtkommunistischen Blockparteien angewiesen. Die sind aber keine zuverlässigen Bündnispartner mehr. Wegen des Drucks der Basis ist die „Fraktionsdisziplin“ der 76 Abgeordneten der Vereinigten Bauernpartei und der 27 Abgeordneten der Demokratischen Partei längst ausgehöhlt. Auch der konservative Parteiflügel der PVAP steht einer Kandidatur Jaruzelskis kritisch gegenüber, da er die politische Reform in Polen und die Gespräche am runden Tisch durchgesetzt hat.
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