Methadon: Der Senat hat gewonnen

■ Mit drei Gegenstimmen entschied die SPD-Fraktion gegen Methadon-Papier ihres Ausschusses und für Senatslinie

Wer Augen hatte, konnte schon vor der SPD-Fraktionssitzung sehen, was los war. Vor den Türen der Bürgerschaft standen die Junkies, um den SPD-Abgeordneten mit Flugblättern und Plakaten ihre Hoffnungen auf eine liberalere Methadon -Vergabe mit auf den Weg in die Beratung zu geben. „5 Drogentote in einer Woche sind genug - wann handelt die SPD endlich?“ hatte einer auf ein Plakat geschrieben, der seit 20 Jahren fixt und mit keiner Therapie davon losgekommen ist. Und: Die Bremer Polizei hatte nach

mittags einen neuen Drogentoten, das 25. Drogenopfer seit Januar, gemeldet.

Und mit hochgezogenen Schultern, als sei das Elend der Junkies ansteckend, eilten die meisten Abgeordneten auf dem schnellsten Wege hinein, ohne nach rechts und links zu gucken. Methadon-Gegner Scherf, der alle Erreichbaren gegen den Methadon-Antrag mobilisiert hatte, fand scheinheilig: „Jeder in der Fraktion hat doch nur eine Stimme!“ „Wieviele Therapien sollen wir denn noch abrei

ßen?“ fragten die Junkies den früheren Gesundheitssenator Brückner, der ihnen den guten Rat gab, sich „im Einzelfall“ einfach Methadon ärztlich verschreiben zu lassen. „Die Ärzte sagen uns aber, dann kommt der Staatsanwalt“, konterte der Junkie aus Erfahrung.

„Frau Rüdiger, Frau Rüdiger!“ riefen die Junkies der Gesundheits-Senatorin nach, aber auch die hatte das rettende Ufer hinter der Tür erreicht und kam lieber nicht zurück. Auch Bildungssenator Franke hatte inzwi

schen dazugelernt: „Kinners, von Methadon kommt man ein Leben lang nicht von los.“ Da konnte die junge Prostituierte, die wegen des Beschaffungsdrucks von ihrem gebrochenen Arm zu früh den Gips hatte entfernen müssen, nur bitter lachen.

Nach zwei Stunden war alles vorbei. In dem sogenannten Kompromißpapier, das nach machtvoller Einmischung des Senats an die Stelle des SPD-Ausschuß-Papiers getreten war, kommt nun Methadon für „Entzugswillige, die mehrere Therapien erfolglos durchlaufen haben“, nicht mehr vor. Neben den ohnehin unstrittigen Indikationen bei Schwangeren, Todkranken oder im Krankenhaus liegenden Süchtigen findet sich nur noch die Gummi-Formulierung: „Einsatz von Methadon insbesondere bei schweren psychischen und physischen Krankheiten und Beeinträchtigungen“.

Hatte noch nach der Fraktions-Sitzung am letzten Mittwoch der Pressesprecher „eine Tendenz eher für Methadon“ ausgemacht, stimmte gestern eine weichgekochte, überwältigende Mehrheit für das Papier auf Senatslinie. Nur Ausschuß-Vorsitzender Reinhold Stieringer, Mit -Antragstellerin Elke Steinhöfel und Ilse Mehrkens stimmten dagegen. Das heißt: Vier Ausschußmitglieder fanden nach der Intervention

des Senats ihren eigenen Antrag, zustandegekommen nach über einem Jahr Ausschußarbeit, selbst nicht mehr zustimmungsfähig und stimmten für das Gegenpapier: Barbara Noack, Horst Isola, Hermann Stichweh und Karl-Wilhelm Busch. „Ich bin ja eine Rechte“, bekannte freimütig nach der Sitzung Ilse Lakmann, die sich als einzige enthalten hatte, „aber wie weit ich hier von ehemaligen sogenannten Linken rechts überholt worden bin, das ist doch ein Ding.“

Frustriert sind Stiering und Steinhöfel, weil nicht einmal ihr Kompromißangebot Gnade fand: Stiering wollte bei der späteren Debatte in der Bürgerschaft zu der „sehr interpretationsfähigen Formulierung“ zumindest mündlich ergänzen dürfen, daß „über den engen Senats-Katalog hinaus Methadon auch bei psychischen Beeinträchtigungen“ „gezielt“ vergeben werden dürfe.

Den ursprünglichen Antrag des SPD-Ausschusses wollen nun die Grünen in die Bürgerschaft einbringen, leicht geändert, aber mit dem Methadon-Passus. „Mein Stand ist jetzt, daß ich dem Antrag der Grünen zustimmen muß“, bekannte mutig Sozialdemokrat Stiering, und Steinhöfel ergänzte: „Wir können doch nicht heute falsch finden, was wir gestern selbst formuliert haben!“ Susanne Paa