Verschaukelt-betr.: Tarifabschluß im Pflegedienst

betr.: Tarifabschluß im Pflegedienst

Wieso kommt von Euch kein Bericht über den schlechten Tarifabschluß im Pflegedienst über die ÖTV? Dieser Tarifabschluß ist mehr als eine Farce.

Der Tarifabschluß vom 3.6.89 durch die ÖTV sollte Einkommensverbesserungen für das Pflegepersonal in Kliniken, Alten- und Behindertenheimen bis zu zehn Prozent bringen. Tatsache ist, daß die wenigsten Schwestern und PflegerInnen in den Genuß dieser bis zu zehn Prozent Gehaltserhöhung kommen werden. Selbst wenn es so wäre, seit 1970 haben keine Tarifverhandlungen über die Anlage 1 b mehr stattgefunden und genau diese Anlage 1 b regelt nun mal die Eingruppierung des Pflegepersonals. Also, selbst wenn das Pflegepersonal nach 19 Jahren endlich zehn Prozent Lohnerhöhung bekäme, wäre dies ein Tropfen auf den heißen Stein, denn die Lebenshaltungskosten wie Mieten, Essen usw. sind seit dieser Zeit stark angestiegen.

Außerdem muß man auch mal die Forderungen der ÖTV zu Beginn der Tarifverhandlungen anschauen: Die ÖTV forderte zwei Lohngruppen mehr für jedeN. Fakt ist, daß eineinhalb Lohngruppen durchgesetzt wurden, da KR 5 a eine neu geschaffene Zwischengruppe darstellt und keine volle Stufe Höhergruppierung bedeutet.

Das Nettoeinkommen des Pflegepersonals beträgt immer noch, ohne Dienste zu ungünstigen Zeiten zwischen 1.750 Mark und 1.850 Mark. Das ist die Realität in diesem Beruf. Alles andere sind Zulagen, die für Nachtschicht, Sonn- und Feiertagsdienst sowie Samstagsarbeit bezahlt werden. Man kann allerdings meiner Meinung nach, nicht diese Zulagen von ungünstigen Dienstzeiten aufrechnen und sagen: „Was wollt Ihr denn, Ihr verdient doch genug Geld.“

Wenn dieser Tarifabschluß dazu beitragen sollte, den Beruf des Pflegepersonals attraktiver zu gestalten, ist das Ziel verfehlt worden, denn mit einem finanziellen Trostpflaster ändert man den Pflegenotstand nicht.

Selbst wenn die Gewerkschaft ÖTV jetzt mit den Krankenhäusern über mehr Planstellen, die notwendig sind, verhandelt und vielleicht auch welche bekommt, was heißt das denn konkret? Wer soll diese neuen Planstellen besetzen? Es fehlen bereits jetzt 60.000 Schwestern und PflegerInnen bundesweit allein in Kliniken, dazu kommen die offenen Stellen in Alten- und Behindertenheimen noch dazu.

Soll die Misere Pflegenotstand wirklich akut beendet werden, und zwar gleich heute nicht erst morgen, muß der Beruf unter anderem finanziell lukrativ sein, um die ausgestiegenen KollegInnen wieder in die Kliniken, Alten und Behindertenheime zurückzuholen. Die bestehenden Dienstzeiten müssen kritisch überprüft werden. Außerdem ist es an der Zeit, sich prinzipiell über Krankenhausstrukturen Gedanken zu machen.

(...) Das Pflegepersonal fühlt sich durch diesen Tarifabschluß der ÖTV verschaukelt und nicht nur deshalb gibt es in mehr als 20 Städten dieser Republik unabhängige Gruppen in denen sich Organisierte und Nichtorganisierte zusammengeschlossen haben. Seit 1. März, unter anderem auch hier in Freiburg, trifft sich die WWU (Wir wehren uns) mittwochs ab 20.30 Uhr, Akropolis, Wasserstraße. Außerdem sollte man über eine Abreibungsaktion für die ÖTV nachdenken, die schließlich auch bei so einem schlechten Tarifabschluß noch verdient. Denn selbst wenn zehn Mark brutto mehr verdient werden, bekommt die ÖTV ein Prozent davon. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Drei-Monats -Boykott der Differenz zwischen altem Beitrag und neuem Beitrag an die ÖTV.

Monika, Freiburg, ÖTV- und WWU-Mitglied

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