Supreme Court demontiert das Recht auf Abtreibung

Der Oberste Gerichtshof der USA schlägt erneut zu: Entscheidungsbefugnis über die seit 1973 gültige liberale Praxis an Bundesstaaten zurückgegeben / Konservative Staaten haben Gesetze zum Abtreibungsverbot parat  ■  Aus Washington Silvia Sanides

Der lange Arm Ronald Reagans hat die amerikanischen Frauen jetzt eingeholt. Das von dem früheren Präsidenten durch gezielte Stellenbesetzung mit einer konservativen Mehrheit ausgestattete oberste US-amerikanische Bundesgericht hat sich in einer gestern bekanntgewordenen Entscheidung für die Einschränkung der Abtreibungsfreiheit in den USA ausgesprochen.

Das Gericht beschloß nach mehrmonatigen geheimen Beratungen, ein Gesetz des Bundesstaats Missouri teilweise aufrechtzuerhalten, das Einschränkungen nach den ersten drei Schwangerschaftsmonaten und in öffentlichen Kliniken vorsieht. So entschied sich das Gericht für eine Bestimmung, die Ärzten auferlegt, einen Fötus auf seine Ueberlebensfähigkeit außerhalb des Mutterleibs hin zu untersuchen, wenn die Schwangerschaft vermutlich zwanzig Wochen oder länger ist. Wird der Fötus als überlebensfähig eingeschätzt, dann darf die Abtreibung nicht durchgeführt werden.

Weiterhin entschied das Gericht, daß der Staat Missouri das Recht hat, Abtreibungen in öffentlichen Einrichtungen und durch mit öffentlichen Geldern bezahltes Personal auch dann zu verbieten, wenn die Schwangere für die Kosten selbst aufkommt. Die Richter tasteten jedoch das grundsätzliche Recht auf Abtreibungsfreiheit als verfassungsrechtlich garantiertes Privatrecht, das seit dem historischen „Roe gegen Wade„-Fall von 1973 besteht, nicht an.

In ersten Reaktionen erklärten Sprecherinnen von Frauenorganisationen, daß die Entscheidung ein schwerer Verlust für amerikanische Frauen sei. Molly Yard von der „National Organisation for Women (NOW) bezeichnete die Entscheidung als „Krieg gegen Frauen. Anita Allen, Juraprofessorin an der Washingtoner Georgetown Universität, erklärte, in erster Linie seien arme und sehr junge Frauen von den Einschränkungen betroffen. Erfreut über das Urteil zeigten sich Abtreibungsgegner. Randall Terry von der militanten Abtreibungsgegnerorganisation „Operation Rescue“ betonte, das Gericht habe einen Stein ins Rollen gebracht. Andere Staaten, so Terry, würden dem Beispiel des Staats Missouri folgen und ebenfalls die Abtreibungsfreiheit einschränken, bis dieses Recht praktisch nicht mehr existiere. Genau dies, so Molly Yard, gelte es durch gezielte Kampagnen auf lokaler und staatlicher Ebene zu verhindern.