Rheingau-Taunus-Kreis: Ampel ohne Strom

Im hessischen Rheingau-Taunus-Kreis müssen die Parteien schon heute mit dem prognostizierten Ergebnis der Bundestagswahlen von 1990 leben / Die FDP verweigert sich einer Ampelkoalition / Die „Republikaner“ werden zum Zünglein an der Waage  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Die Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Hessen-Süd, MdB Heidemarie Wieczorek-Zeul, ging mit ihren Parteifreunden aus der Provinz hart ins Gericht: Die Genossen aus dem Rheingau-Taunus-Kreis möchten doch bitte in Zukunft ihr Abstimmungsverhalten im Kreistag so gestalten, daß die „Republikaner“ nicht zum Zünglein an der Abstimmungswaage avancierten. Auch der Landesvorstand der hessichen Grünen zeigte sich irritiert über das „Abstimmungsverhalten“ seiner Parteifreunde und -freundinnen aus dem Rheingau: Landesvorstandssprecherin Margareta Wolf bedauerte ausdrücklich, daß es bei der Einbringung von Abwahlanträgen durch die Grünen zu „großen Mißverständnissen“ gekommen sei, denn für die Grünen dürfe es weder eine inhaltliche, noch eine taktische Zusammenarbeit mit den REPs geben.

Ausgerechnet in einer Zeit, in der im Hinblick auf das Ergebnis der Europawahlen und in Erwartung der Bundestagswahlen 1990 bundesweit von sozialdemokratischen, freidemokratischen und grünen SpitzenpolitikerInnen laut über die Installation einer sogenannten Ampelkoalition nach den Bundestagswahlen nachgedacht wird, liegen sich im Rheingau-Taunus-Kreis die Roten, die Gelben und die Grünen in den Haaren. Die nach dem Ergebnis der hessischen Kommunalwahlen vom März dieses Jahres vor allem von SPD und Grünen - zur Ausschaltung der neu in den Kreistag gewählten REPs gewollte Ampelkoalition bleibt bislang Fiktion. Grünen und Sozialdemokraten fehlt eine Stimme zur absoluten Mehrheit - und auch die CDU kann, selbst bei einer Zusammenarbeit mit den REPs, nicht ohne die FDP die Kreisregierung stellen. Und die FDP will mit Schönhubers braunen Buben aus dem Rheingau „absolut nichts zu tun“ haben, wie ihr Kreis tagsabgeordneter Herbert Hirsch ler gegenüber der taz ver sicherte.

Doch auch mit SPD und Grünen hat die FDP des Herrn Hirschler offensichtlich ihre Probleme, besonders seit die Grünen Ende Juni einen Abwahlantrag gegen den noch amtierenden FDP-Dezernenten der alten CDU-FDP-Kreisregierung ein- und durchgebracht haben - allerdings nur mit Hilfe der REPs, die zusammen mit den Sozialdemokraten dem Antrag der Grünen zu einer Mehrheit verhalfen. Da tobte selbst Otto Graf Lambsdorff in Bonn. Der FDP-Vorsitzende sprach von einer „unglaublichen Koalition“ und von einer „Entlarvung der Bekundungen von SPD und Grünen gegen die Republikaner“. Das sei alles „pure Heuchelei“ gewesen.

Doch beleidigt ist nicht nur die FDP. Die Grünen im Rheingau-Taunus-Kreis wehren sich heftig gegen die Angriffe ihres Landesvorstands. Die Kreistagsabgeordnete und Sprecherin der Kreistagsfraktion Ingrid Reichbauer fragte schriftlich beim hessischen Landesvorstand an, ob die Grünen denn in Zukunft ihre sinnvollen Anträge im Kreistag nicht mehr stellen dürften, weil die Gefahr bestehe, daß die REPs ihnen zustimmen könnten? Schuld an der Misere im Kreistag sei alleine die FDP, die sich „aus persönlichen Interessen, aber auch aus bundespolitischen Erwägungen heraus“ nach wie vor einer Ampelkoalition verweigere. In der Tat hatte die FDP schon vor dem Abwahlantrag der Grünen ihre Ampelabstinenz mit dem Hinweis auf die vor vier Jahren mit den Stimmen der FDP gewählten CDU- und FDP Dezernenten begründet. Die könne man jetzt nicht einfach abwählen.

Der lachende Vierte im Poker um die Mehrheitsverhältnisse im Kreistag sind die „Republikaner“. Weil die FDP sich klar gegen jede Zusammenarbeit mit ihnen ausgesprochen hat, verhalfen die Rechtsradikalen dem Abwahlantrag der Grünen gegen den FDP-Dezernenten Michael Denzins zu einer Mehrheit. Und weil die REPs noch immer mit einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit mit der CDU liebäugeln, schmetterten sie - zusammen mit CDU und FDP - den zweiten Abwahlantrag der Grünen gegen den amtierenden CDU-Landrat ab. Für die auf Geißlers Linie liegenden Christdemokraten ist der Landrat von REPs Gnaden eine mehr als peinliche Angelegenheit.

Doch solange es der SPD als stärkster Fraktion nicht gelingt, ihrerseits eine „saubere“ Mehrheit für die Abwahl der alten Kreisregierung auf die Beine zu stellen, bleiben sowohl der CDU-Landrat als auch die Dezernenten aus den Reihen der Christdemokraten und der FDP in Amt und Würden und ohne sichere parlamentarische Mehr heit.

Aufgrund der völlig verfahrenen Situation im Rheingau -Taunus-Kreis ist sowohl bei den Christ- als auch bei den Sozialdemokraten die große Koalition kein Tabuthema mehr. So forderte Heidi Wieczorek - trotz eindeutiger rot-grüner Ambitionen - auch die CDU auf, sich „konstruktiven Gesprächen“ mit der SPD nicht länger zu verweigern. Bis zum Eingreifen der REPs per Akklamation bei der Abwahl des FDP -Dezernenten war ein solches „Elefantentreffen“ noch nicht einmal Gegenstand öffentlicher Erörterungen der Beteiligten gewesen, denn die CDU hatte sich klipp und klar gegen den von der SPD präsentierten Kandidaten für das Amt des Landrats ausgesprochen. Auch bei den Grünen im Landesvorstand macht sich Resignation breit. Es deute alles auf eine große Koalition hin, meinte Margareta Wolf, verwies aber gleichzeitig auf noch ausstehende Gespräche mit dem FDP -Landesvorstand und mit der SPD-Unterbezirksvorsitzenden Wieczorek-Zeul. Die Rheingau-Taunus-Grünen sind nach dem Diktat ihrer Presseerklärung zunächst einmal verreist. Den Grünlingen aus der hessischen Provinz wäre dem Vernehmen nach auch eine rot-grüne Minderheitsregierung im Kreistag recht - „gegen rechts, das heißt gegen CDU und Republikaner“ (Reichbauer). Doch über einen solchen „offenen Kreistag“ würde sich mit Sicherheit eine Partei mehr als tierisch freuen: die REPs, die sich dann mit der FDP die politisch gewichtige Rolle des Mehrheitsbeschaffers teilen dürften. Und wer wählt dann eigentlich den CDU-Landrat und die CDU -Dezernenten ab?