: Männer ohne Antwort auf die „Frauenfrage“
Enttäuschendes SPD-Hearing in Bonn / Mit den üblichen Tricks wird die Frauenquotierung umgangen / Larmoyante Berichte aus Männergruppen ■ Aus Bonn Ursel Sieber
Renate Schmidt freute sich wie eine Schneekönigin, als sie von der autonomen Feministin aus Berlin ganz überschwenglich gelobt wurde. „Ich finde die SPD hat Glück, daß sie so eine tolle Frau als Abgeordnete hat, die so produktiv die Inhalte der autonomen Frauenbewegung aufgreifen kann“, meinte Halina Bendkowski, bekannt als Sprecherin der Berliner „Frauenfraktion“. In der Tat: Die Bundesabgeordnete, die in der Bonner SPD-Fraktion schon als die künftige Frauenministerin gehandelt wird, hatte nach Bonn zu einer Anhörung geladen, die eine Genossin aus München sogar als „historisch“ bezeichnete. Im Fraktionssaal der SPD hingen nämlich in der vergangenen Woche nicht nur drei Männerköpfe (Ollenhauer, Schumacher und Erler) und lächelten auf ihre Schäfchen herab - an einer Wand prangte für zwei Tage auch ein Transparent, das „die Frauenfrage als Männerfrage“ stellte.
Die „Männerfrage“ war ja schon immer die eigentliche „Kinderfrage“ der Frauenbewegung. Freilich, die besten Ideen können ins Leere laufen, wenn diejenigen, die ohnehin „teils aktiven, teils inhaltenden oder teils passiven Widerstand“ (Renate Schmidt) leisten, sich immer noch nicht angeprochen fühlen. Die als Referenten eingeladenen Männer waren erschienen - inzwischen kann mann sich mit solchen Vorträgen ja auch profilieren. Doch darüber hinaus interessierten sich wieder einmal hauptsächlich Frauen für das, was zurecht als Männerfrage aufgeworfen worden ist. Unter den ZuhörerInnen waren jedenfalls höchstens zehn Prozent Männer, und davon kamen die meisten aus Männergruppen, die eingeladen waren, um zu referieren. Alle mußten lachen, als zwei Mitarbeiter des Berliner Männerbüros „Mannege“ ihr Referat noch schnell kürzten: Sie hatten mit mehr männlichen Zuhörern gerechnet, und sahen wohl ein, daß sie den Frauen die Männergesellschaft nicht mehr erklären mußten.
Verzögerungstaktik gegen die Realisierung von Quoten
Wie gehen Männer nun mit den wenigen handfesten Erfolgen der Frauenbewegung um, zum Beispiel den Quoten? Horst Peter, SPD -Bundestagsabordneter, der mit der engagierten Frauenpolitikerin Irmtraud Peter zusammenlebt und zu den ersten männlichen Befürwortern der Quote gehörte, plauderte aus dem Nähkästchen, als er bestätigte, daß seine Genossen jetzt altbekannte Winkelzüge entwickeln, um die Quote politisch zu überleben. Horst Peter: Die Frage „Wer wird was“, wird nicht in den paritätisch besetzten Gremien behandelt, sondern in andere verlagert. Ein zweiter Trend sei, die „genehmen Frauen“ in die SPD-Gremien hineinzuwählen; drittens werde immer wieder behauptet, es ständen nicht genügend qualifizierte Frauen zur Verfügung, und viertens werde das ganze Problem auf die nächste Generation verschoben, mit dem Argument, die Quote sei zwar ein wichtiger Beschluß, doch müßten alle erst allmählich in die neue Situation hineinwachsen.
Was er zum Beispiel aus Nordhessen zu berichten wußte, machte deutlich, wie massiv der Quotenbeschluß in männliche Karriereplanung und in gewachsene Strukturen eingreifen kann: In einem Wahlkreis muß der bislang einzige SPD -Kandidat zum ersten Mal gegen drei Mitbewerberinnen antreten. So etwas tut offenbar weh. Die Berliner Sozialwissenschaftlerin Frigga Haug betonte später, daß die Quotendebatte doch ans „Mark“ der Gesellschaft und ihrer Mannsbilder gehe. „Die Quote ist ein Schlag gegen die Leistungsideologie, weil klar wird, daß die Männer womöglich doch nicht über Leistung ihre Plätze bekommen haben.“
Männer wollen keine Macht abgeben
Doch was macht die SPD mit den Männerängsten vor Machtverlust? „Es gilt, Männer davon zu überzeugen, daß es auch in ihrem Interesse liegt, sich mit der Hälfte der Welt zu begnügen“, sagte Horst Peter. Ähnliches hatte auch Renate Schmidt als Ziel der Anhörung formuliert: „Wir wollen, daß Gleichstellungspolitik nicht nur ein Thema von und für Frauen ist, sondern auch zum Anliegen von Männern wird.“ Denn die Frauenpolitik stößt an Grenzen, weil Männer kein wirkliches Interesse an der Beseitung der vielfältigen Formen von Diskriminierung haben, hieß es in einem von der SPD verteilten Hintergrundpapier.
Genau das bestätigte Peter Grottian, Hochschullehrer aus West-Berlin, als er das Ergebnis zweier Initiativen vortrug: Die eine war der Versuch freiwilliger Selbstquotierung, den das Komitee für Grundrechte und Demokratie vor drei Jahren angeregt hat. Der Erfolg der Selbstquotierung sei „eher bescheiden“ gewesen - wenngleich diese Aktivität an vorzeigbaren Veränderungen mehr erbracht habe als der Frauenförderplan an der Universität Hamburg. Und: Im ersten Jahr hätten sich die Professoren an die Selbstquotierung weitgehend gehalten, im zweiten Jahr jedoch schon weniger. Selbst bei aufgeschlossenen Männern schlage sich die Schrecksekunde eben nicht immer in längerfristigen Lernprozessen nieder. Noch ernüchternder war das, was er über „Initiativen von positiven Aktionen für Frauen“ berichtete: In Berlin, Stuttgart und in der Schweiz hatten engagierte Frauenbeauftragte Gesprächskreise mit Vertretern aus Unternehmen, Gewerkschaften und Kirchen ins Leben gerufen, um dadurch die Chancen von Frauen im Erwerbsbereich zu verbessern. Gesprächskreise, die „auf die Macht der guten Argumente und auf sonst nichts gestützt sind“, und damit, so Peter Grottian, an der Arbeits- und Machtverteilung der Geschlechter nichts verändert haben.
Männergruppen-Männer...
Männer, so Sigrid Metz-Göckel, Professorin an der Universität Dortmund, seien gleichzeitig „die Nutznießer“ der Frauenbewegung: „Sie haben Partnerinnen gewonnen, die ihnen sozial und intellektuell ebenbürtig und emotional überlegen sind, ohne daß sich an den Strukturen der geschlechtlichen Arbeitszuweisung großartig etwas geändert hätte.“ Die neuen Väter seien nämlich „mehr Traum als Wirklichkeit“, meinte die Professorin, die 1986 eine repräsentative „Väter-Studie“ erstellt hat: „Wenn Männer Vater werden, fällt ihnen buchstäblich noch der Staubsauger aus der Hand, und sie beteiligen sich noch weniger an der Hausarbeit als vorher.“
Müßte im Bundestag also, wie im Parlament von Norwegen, ein „Ausschuß zur Emanzipation der Männer“ eingerichtet werden, damit Männer in ihre neue Rolle schneller hineinwachsen? Die SPD-Bundestagsabgeordnete Rose Götte warf diese Frage auf. Eine Antwort hatte noch niemand parat. Doch was ist mit Männergruppen oder Männerbüros, die so oft euphorisch als Vorboten einer Männeremanzipations-Bewegung stilisiert werden? Diese Männer waren ja anwesend - und sie fielen zunächst deshalb auf, weil sie jeden Redebeitrag mit den Worten „Ich bin ziemlich aufgeregt jetzt“ oder „Ich bin unheimlich wütend und traurig“ begannen. Ein Verhalten, das viele Teilnehmerinnen an die Selbsterfahrungsgruppen der Frauenbewegung vor zwanzig Jahren erinnerte, das zunächst aber eher freundlich aufgenommen wurde. Allerdings kippte die Stimmung im Raum bald und das Wohlwollen verwandelte sich in Agressivität, als sich diese neuen Männer eigentlich nur über ihren Seelengarten ausließen: Sie trugen vor, wie sie sich in diesen Gruppen gegenseitig motivieren, Gefühle zu zeigen und „Männerpanzer“ aufzuweichen - ansonsten aber, und das erregte den Unmut bei den Frauen, anscheinend keine Probleme haben: Mit der Arbeitsteilung nicht, mit der Lohnungleichheit nicht und auch nicht mit ihrer gesellschaftlichen Macht und ihren Privilegien. Die individualistische Strategie sei die stärkste unter den Männergruppen, meinte später auch Georg Broska vom Männerbüro „Mannege“ in Berlin. Eine Strategie, die von der Psychotherapie inspiriert sei und sich auf das „persönliche Wachstum“ des Mannes konzentriere.
Die meisten Teilnehmerinnen reagierten immer gereizter auf solche Selbstdarstellungen - auch deshalb, weil viele Redebeiträge aus Männergruppen entweder weinerlich oder lobheischend und manchmal auch kokettierend vorgetragen wurden, gerade so, als müßten die Frauen den neuen Männern auch noch wieder applaudieren. Und als etwa der Berliner Psychologe und Männerbuch-Autor Wilfried Wieck Geld und Stellen für Männergruppen und Männerforschung forderte, riß einigen Teilnehmerinnen einfach der Geduldsfaden: „Die Frauen haben die Frauenfrage als eine politische Frage aufgeworfen, und die Referentinnen haben über Wirtschaft, Ökologie und Gesellschaftspolitik geredet, die Referenten aber über inidivualpsychologische Probleme. Das habe ich schon als Zumutung empfunden“, schimpfte eine WDR -Redakteurin. Und eine Verhaltenstherapeutin bemerkte wütend, daß die Männer schließlich überall auf den Professoren-Stellen sitzen und sich doch längst solchen Fragen zuwenden könnten. Eine andere Teilnehmerin war verständnisvoller, als sie, an die Männer gerichtet, von der „historischen Ungleichzeitigkeit“ sprach: „Was Ihr jetzt treibt, das haben wir längst hinter uns, wir sind einfach an einem anderen Punkt.“ Der Unmut verflog erst dann wieder ein bißchen, als ein Gewerkschafter die Aktion „Männer gegen sexuelle Belästigung“ vorstellte und deutlich wurde, daß nicht alle Männergruppen nur ihr Seelengärtchen pflegen. Diese Aktion, sagte eine Teilnehmerin, sei eine der Unterstützungsmöglichkeiten, die sie sich von Männern wünsche.
...und Politiker-Männer
„Habe ich als Mann eigentlich ein Interesse an der Gleichstellung - und was kann ich dafür tun?“ So lautete die Frage, die am Ende der Anhörung vier Männer aus der Politik und ein Bank-Manager beantworten sollten: Otto Graf Lambsdorf, Norbert Blüm, Joschka Fischer, Volker Hauff und Eike Ballerstedt von der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG). Allesamt zogen sie sich mit erstaunlicher Unbeholfenheit aus der Affäre: Der Bundesarbeitsminister kam richtig ins Stottern und hatte nur ein Problem, das er als Frage in den unterschiedlichsten Variationen wiederholte: „Was soll da gleichgemacht werden, und ist die Gleichstellung am Ziel, wenn die Frauen so werden, wie die Männer schon sind?“
Lambsdorff meinte gleich ganz autoritär, daß „der Politiker ganz selbstverständlich ein Interesse an Gleichstellung hat“. Außerdem sei er mit einer berufstätigen Frau verheiratet und seine Tochter sei Rechtsanwältin und Feministin. Eike Ballerstedt geht es darum, „über die Frauenförderung die menschliche Gesellschaft etwas herbeizuführen“. Die Männer könnten zur Gleichstellung „über die Verweigerung der permanenten Verfügbarkeit“ beitragen, sagte Herr Ballerstedt, fügte aber ehrlicherweise hinzu: „Ein Glück, daß meine Frau nicht im Saal ist, denn verwirklicht habe ich das bisher nicht.“
Joschka Fischer fiel bei dem Thema zuerst ein, daß er mit Mutter und zwei Schwestern in einem „Ehematriarchat“ aufgewachsen sei, und daß er sich gegen jede „Verweiblichung“ zur Wehr setzen würde. Denn: „Wer von uns Männer kennt nicht die Härte des weiblichen Geschlechts.“ Er bekannte freimütig, daß er nur „unter der Sozialisierungsknute der Frauenbewegung“ Fortschritte gemacht habe - welche, das sagte er nicht. Und indirekt gab er zu, daß sein Interesse an der Gleichstellung begrenzt ist: „Denn wenn Joschka Fischer tatsächlich ernst machen würde mit der Aufteilung der Kinder und Alltagsarbeit, dann wäre er binnen kürzester Zeit in der grünen Politik nur noch in einem Gemeindeparlament politikfähig.“ Später fügte er hinzu: „Ich verspreche mir von der Gleichstellung, daß man dann Mann sein darf, ohne dauernd diesen Patriarchatsvorwurf zu haben.“
Seit „Häutungen“ kein Frauenbuch mehr gelesen
Die Quotierung hielten die Herren Blüm und Lambsdorff wieder einmal „nicht für hilfreich, weil eine Frau nicht deshalb gewählt werden sollte, weil sie Frau ist“ (Blüm). Immerhin: Joschka Fischer verteidigte die Quote mit den allerbesten Argumenten. Er meinte allerdings, daß eine nicht ausgefüllte Quote „zum Rohrkrepierer“ werde und fügte hinzu, es sei eine Herausforderung an die Frauen, etwas Positives daraus zu machen. Daß er etwas über den Beitrag der Männer sagen sollte, war plötzlich vergessen. Auch Volker Hauff erntete viel Beifall, als er das wiederholte, was die Genossinnen seit Jahren vorsagen: „Die Gleichstellung ist dann erfüllt, wenn total unfähige Frauen endlich in führenden Positionen tätig sind.“
Auf diese Art und Weise gab die Politiker-Elite dieser Republik ein klein wenig zu erkennen, wie phantasielos und ignorant sie auf die Frauenfrage reagiert. Teilzeitarbeit in der Führung der Deutschen Bank? Geht nicht, sagt Herr Lambsdorff. Warum diese Phantasielosigkeit? In einer Institution ist alles so mühsam, sagt Herr Ballerstedt. Hat einer der Herren wichtige Frauen aus der Frauenbewegung gelesen, die genügend Modelle anbieten, um die gesamte Gesellschaft zu verändern? Er habe 1977 das Buch Häutungen von Verena Stefan gelesen, und seither kein Buch mehr in der Hand gehabt, sagt Herr Fischer. Trotzdem war Joschka Fischer mit seiner Ehrlichkeit zum Liebling des Frauenpublikums geworden - als ein Ich-bin-ein-Chauvi-und -steh-dazu-Mann.
Noch am Tag zuvor hatte Frigga Haug ein grundsätzlich anderes Modell von Leben, Arbeiten und Politik-Machen ausgemalt und von der radikalen Veränderung des neuzeitlichen Zivilisationsmodells und der ihr eigenen Organisation von Arbeit gesprochen. Hörte man den Politiker -Männern zu, schien sich das auf einem anderen Stern abgespielt zu haben. Die Frauenfrage als Männerfrage? Am Ende war auch Renate Schmidt ein bißchen traurig: „Es gibt viel zu wenig Veränderungsbedürfnis - bei den Männern viel weniger als bei den Frauen. Und warum“, fragte sie, „können sich so viele Männer das Abenteuer Leben nur in 150 Überstunden pro Monat vorstellen?“
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