: Abschiebung „bei Nacht und Nebel“
Ausländeramt Waiblingen erließ entgegen eigenen Zusagen Abschiebeverfügung gegen einen Ghanaer / Anwalt wurde erst sechs Tage später informiert / „Das Pech, ein Schwarzer zu sein“ ■ Von Ulrike Helwerth
Berlin (taz) - Die Frühschicht hatte kaum angefangen, da tauchten zwei Beamte an Emmanuel Boachies Arbeitsplatz auf und führten ihn ab. Sie ließen ihm gerade noch Zeit, sich umzuziehen, seine Kündigung zu unterschreiben und seinen Lohn entgegenzunehmen. Dann brachten sie ihn zum Flughafen und setzten ihn in die nächste Maschine in Richtung Heimat. Bekannt wurde die Abschiebeaktion vom 16.Juni durch IG -Metall-Vertrauensleute der Firma Porsche in Stuttgart. Emmanuel Boachie, IG-Metall-Mitglied, hatte dort die letzten sechs Jahre im Rohbau gearbeitet. 1979 war er in die BRD gekommen. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. 1981 heiratete er eine Deutsche. Eine zweite Ehe wurde Ende 1988 geschieden. Damit war für Boachie der „Schutz der Familie“ nicht mehr gegeben. Der unerwünschte Ghanaer wurde zur Ausreise aufgefordert. Da gerichtliche Schritte wenig Aussichten boten, erklärte sich Boachie mit einer Ausreisefristverlängerung einverstanden. Bis Anfang Juni sollte er die BRD freiwillig verlassen oder zumindest das Aufgebot mit einer Deutschen bestellt haben. Personalabteilung und Vertrauensleute der Firma Porsche setzten sich vor Ablauf der Frist bei der Stuttgarter Ausländerbehörde für ihren Kollegen ein. Emmanuel Boachie war jedoch inzwischen von Stuttgart nach Waiblingen umgezogen und in die Zuständigkeit des dortigen Ausländeramts gefallen. Dessen Leiterin versprach, so Boachies Anwalt Schaich, ihn zu informieren, bevor „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ gegen seinen Mandanten eingeleitet würden. Am gleichen Tag wurde jedoch die Abschiebung verfügt, drei Tage später Boachie auf der Arbeit abgeholt. Er konnte seinen Anwalt nicht mehr verständigen. Nun gilt für ihn in der BRD Einreiseverbot. Rechtsanwalt Schaich legte Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Waiblinger Amtsleiterin ein - wegen nicht eingehaltener Zusagen. Er hat die Abschiebeverfügung erst sechs Tage später erhalten. Im Waiblinger Rathaus will man dazu keine Stellung beziehen.
Kollegen von Boachie sammelten im Betrieb spontan Unterschriften gegen die Abschiebung. IG-Metall -Vertrauensleute protestierten in einem Flugblatt. Boachies „Pech“ sei es, „Schwarzer zu sein“, heißt es darin, einen anderen Grund für die „Nacht- und Nebelaktion“ gebe es nicht. FreundInnen und Bekannte haben bis heute keine Nachricht von dem Ghanaer erhalten.
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