Shakespeare statt Ohnsorg

■ Die 3sat-Macher haben ihr Kulturherz in Bremen verloren

Was dem Terrestrischen sein Willy Millowitsch Ohnesorge, könnte den Verkabelten und Satellitisierten in Zukunft ihre Shakespeare Company werden. Und warum? Weil die Macher von 3sat (Zusammenschluß von ZDF, ORF, SRG) die Öffentlich -Rechtlichen da überholen wollen, wo diese freiwillig stehengeblieben sind: auf der Kulturschiene. Seit samstagabendlich die Tiwie-Schou aus uns ein Volk von Krispern und Knabberern gemacht hat, kommt die gute alte Live-Kultur wieder zu Ehren wie eine

Exotin. Das Theater soll im Fernsehen hier und jetzt und groß rauskommen, als vollmundige Alternative zum Unterhaltungsgebrabbel von Elstnergottschalkschautzer.

In Neu-Isenburg hat alles angefangen. Da gastierte die Bremer Shakespeare Company, da waren die 3sat -Zentralredakteure zur (rechten!) Stelle: als Sucher in der Fernsehwüste nach einem geeigneten Theater für sein Kulturprogramm, was ein „prinzipielles“ Kulturprogramm sein soll. Was klar war: Es sollte ein Volkstheater sein, weil das gut korrespondiert mit dem Fernseh-Empfängerstatus. „Im Fernsehen gibt es live-Theater ja gar nicht mehr“, sagt Wolfgang Bergmann, 3sat-Redakteur, auf dem Pressetermin im Theater am Leibnizplatz. „Die vierte Wand“ zwischen Bühne und Publikum will man „niederreißen“, und die fünfte zwischen Fernsehen und Zuschauer gleich mit.

Seit Sonntag verändert das Fernsehteam aus Mainz die Theaterwirklichkeit. Im Theater sind fünf Kameras aufgebaut, 40 Leute vom Aufnahmeteam verteilen sich im Zuschauerraum und drum herum, um zusammen mit den Shakespeares das große Ereignis der Live-Übertragung einzustudieren. Norbert Kentrup, Gründungsmitglied der Company, schwärmt von der Gewis

senhaftigkeit der Fernsehleute, wie sie mit den theatralischen Besonderheiten umgehen und diese berücksichtigen. Bei einem kleinen Stichkucken auf der neuen Company-Galerie überträgt sich die konzentrierte Zusammenarbeit der ungleichen Partner: Da werden spontan die Kameraleute ins Spiel miteinbezogen, zwei Schauspieler übernehmen das Abbilden.

„Der Widerspenstigen Zähmung“ vom alten William Shakespeare hat das Fernsehrennen gemacht. Eigentlich ein „reaktionäres Stück“, sagt Kentrup, aber weil die Publikumsfrauen und Männer getrennt sitzen müssen, sind (un)passende Lacher geschlechtsspezifisch zu ermitteln und wirken so möglicherweise entlarvend. Da die Problematik Mann-Frau so alt ist wie das Leben selbst, könnte nun versucht werden, Denkanstöße beim falschen Lachen zu geben via Publikum via Fernsehgerät. Künstlerischer Verlust ist nicht das Risiko, eher sei es ein Abenteuer für beide. Nein, geehrt fühle schauspieler sich nicht besonders, daß die Wahl auf die Bremer gefallen sei. Schließlich natürlich hat man „mit dem Fernsehen wenig am Hut“. Außer, daß dadurch noch mehr neugierig aufs Theater werden könnten. Leider riecht es im Fernseher nicht nach Theater, findet schade der Redakteur.

Aber die Technik ist toll: Im Hof wird eine Satelliten -Erdfunkanlage stehen, die Signale sendet in folgender Reihenfolge: Satellit - Mainz - Satellitenfunkstelle Usingen - ECS 4 - ECS 5(Verteilsat.) - Kabelkopfstationen in der BRD, in Österreich, in der Schweiz. Und das alles aus Bremen! Und wo man gerade hier ist, nimmt 3Sat seinen freiwilligen Kulturauftrag wahr und führt der ganzen (Fernseh)Welt unser Bremen vor. Denn: Je weiter es in den Süden geht, desto mehr soll das Kennen von unserer gerne großen Stadt bergab gehen. Ein StadtführerInnenfilm mit der Bremer Shakespeare Company ist dabei entstanden, der auf unterhaltsamste Weise Theater mit Fernsehen mit Stadt verbindet. Das polyglotte Publikum wird durch Bremer Straßen geführt, erfährt, wo der Roland steht und warum er so spitze Knie hat, daß der Schütting vom Schütten kommt, daß ein typisches Bremer Haus ein obskures Objekt der Wohnungsbegierde ist, daß es einen Fluß gibt, der Wasser führt und über den alle alles wissen, daß eine kleine Fähre kreiseln kann, daß auf der anderen Seite des Flusses eine Theatergruppe ihr Domizil hat, die ihresgleichen sucht und ihr Publikum gefunden hat. Claudia Kohlhas

Am Samstagabend, 19.30 Uhr. 3sat