Sowjetischer Film des Jahres 1987

■ Kalter Sommer '53

Sowjetische Filme haben oft diese verknüttert altmodische Landlebengrobheit von Siegfried Lenz-Romanen: Frauen mit runden Backen und Kopftüchern über ungeschminkten Gesichtern, dralle Körper in groben Klamotten, in Flußwasser gewaschene Bettlaken, Dörfer in saftigen Rauschewiesen, silbrig glänzende Frischfangfische - das Leben ist karg, überschaubar und ereignislos.

„Kalter Sommer '53“ ist einer dieser Filme: Wasser gluckert, Ruhe herrscht, Menschen arbeiten. Mancher Kinokartenbesitzer wird sich etwas langweilen, andere werden es lieben: lange, lange hält die Kamera auf große zerfurchte Gesichter, jedes Wort kommt zögerlich aus ungerichteten Zähnen, Menschen berühren sich aus Gewohnheit, im Scherz, in aller Offenheit, keiner denkt sich was. Alles ist schlicht. Ein Film als Schlummertrunk.

Dabei ist der Sommer '53 der Sommer der großen Amnestie. Stalin ist tot, die Kriminellen werden haufenweise entlassen, niemand weiß, warum eigentlich. Die Politischen bleiben, wo sie sind: im Gefängnis, im Lager, im Fischerdorf in der Verbannung. Lusga und Kopalytsch z.B. leben irgendwo in weiter russischer Einöde an einem Dorf am Fluß. Da leben sie, teeren ab und an ein Boot, starren aufs Wasser und werden nicht beachet. Schura, das Landmädchen, spricht mit den Fremden, gibt ihnen heimlich Lebensmittel, legt die Hand auf die groben Wollpullis. Mit sechs leidlich verwirrten Banditen kommt Tod, Teufel und Vergewaltigung über den Dorfalltag. Und selbst das filmt Regisseur Alexander Proschkin ruhig und gelassen zwischen Grashalme und Tannenbäume. Die „Volksfeinde“ werden zu Helden, Schwarz wird Weiß. Die Menschen sind müde. Die „Richtungen“ wechselt irgendwer über ihre Köpfe hinweg - häufiger als Schura ihr Blümchenkleid.

„Ich habe mich bemüht, reißerische Tendenzen rauszuhalten“, sagt der Regisseur. „Es geht ja um die Generation unserer Eltern.“ Der Film wirbt um Verständnis, erdbraun, grasgrün, hölzern. Man wird etwas träge davon. p

Atelier, täglich, 21 Uhr