Gentechnik erobert auch Bremer Forscherherzen

■ Universität Bremen schon seit Jahren keine „gentechnikfreie Zone“ mehr / Anhörungen für neue Professur ungestört

Die „zornigen Petunien“ bleiben neuerdings mit ihren Trillerpfeifen zu Hause. Die kleine radikale Minderheit „aus der Universität und aus der Stadt“ hat es aufgegeben, die Anhörungen einer Berufungskommission am Studiengang Biologie zu sprengen und jegliche Gentechnik aus der Universität verbannen zu wollen: „Der Zug ist abgefahren“, analysierten Mitglieder in einer kleinen, resignierten Runde.

Anlaß der zornigen, öffentlichkeitswirksamen Aktion war das Bestreben des Studiengangs, den bundesweiten Anschluß in Sachen Gentechnik nicht völlig zu verpassen und eine Professur zu besetzen in „Molekularer Genetik“, sprich in „Gentechnik“. Eine Fachrichtung, die an Universitäten wie Hamburg bereits fünffach vertreten ist. „Bremen liegt hier hinterm Mond“, weiß denn auch Prof. Armin Hildebrandt, der sich als erster Bremer in einem Forschungssemester gentechnologische Methoden aneignete.

Spätestens seit Hildebrandts Anlernzeit vor sechs Jahren ist die Universität Bremen keine „gentechnikfreie Zone“ mehr. Er steht den Neuerungen dabei so aufgeschlossen wie kritisch gegenüber: „Man muß da höllisch aufpassen. Aber ich kann nicht sagen, jede gentechnische Methode ist des Teufels.“ Mittlerweile sind immer mehr DiplomandInnen, DoktorandInnen und Professoren gentechnisch interessiert, wobei aber oft der eine Professor nicht so recht weiß, was der andere mit seinen Viren und Bakterien eigentlich so alles anstellt.

Prof. Hildebrandt hatte „gen

technologische Methoden“ zunächst nur für akademische Fragestellungen an „Schleimpilzen“ verwandt. Er war neugierig, wie sich Zellen ausdifferenzieren. In Zukunft will Hildebrandt jedoch anwendungsorientiert an Medikamenten arbeiten. Er will testen, ob nicht eine bestimmte Art von Einzellern („Tetrahymena“) besser und sicherer Proteine produzieren kann als die bisher von ForscherInnen verwendeten Bakterien und Säugetierzellen.

Vor zwei Jahren begann auch Hildebrandts Kollege Ludger Rensing, die Gentechnik für sich zu entdecken. Er zählt wie Hildebrandt zu den „Linken“ am Fachbereich. Seine Forschungsgruppe arbeitet mit dem Brotschimmelpilz („Neurospora“). Rensing will exemplarisch die Streßgene dieses Pilzes erforschen, um Aussagen über das Wachstum von Tumorzellen zu machen. Rensing: „Ich bin auch der Meinung, daß man sich darauf konzentrieren sollte, die Tumorbildung zu verhindern.“ Doch selbst bei größten Anstrengungen, würden auch dann noch jahrzehntelang Menschen von Tumoren befallen: „Man kann deshalb nicht sagen, wir vergessen die Leute, die krebskrank sind.“ Und die gentechnische Methode, mit der er arbeite, sei „relativ risikoarm“. Die Methode geht, laienhaft ausgedrückt, so: Dem Brotschimmelpilz wird eines seiner Streßgene herausgeschnitten und - zwecks millionenfacher Vermehrung - in Bakterienkulturen übertragen. Um diese kopierten Gene zu isolieren, werden die Bakterien schließlich abgetötet. Mittels der „klonierten“ und mar

kierten Gene können ForscherInnen erkennen, wie stark denn nun ein - parallel unter Streß gesetztes - Pilzgen aktiviert worden ist. Rensing: „Ein etabliertes Verfahren in der Zellbiologie. Das machen weltweit tausende von Laboren.“

Auch an einem dritten Lehrstuhl wird auf die Gentechnik zurückgegriffen: Im Institut für Humangenetik des Prof. Werner Schloot. Im Gegensatz zu den Professoren Hildebrandt und Rensing steht hier ein Labor der Sicherheitsstufe „L 2“ noch nicht

zur Verfügung, sondern ist Teil eines 8-Millionen-Neubaus, der spätestens im nächsten Jahr bezugsfertig sein wird. In dem „L 2„-Labor nun soll vor allem Dr. habil. Jörn Bullerdiek arbeiten. Er untersucht schon jetzt den „Ohrspeicheldrüsen-Tumor“.

Da PatientInnen mit diesem Tumor oft umgelagerte Chromosomen aufweisen, will Bullerdiek erforschen, ob durch diese Umlagerung bestimmte krebserregende Gene aktiviert werden. Die „Gensonden“, die er benutzt, stellt er im Gegensatz zu den Kollegen Rensing und Hildebrandt jedoch nicht selbst mittels Gentechnologie her, sondern läßt sie sich aus anderen Laboren zuschicken: „Insofern sind wir indirekt darauf angewiesen, daß andere sowas machen.“ Im neuen „L 2„ -Labor will sich Bullerdiek jedoch selbst Bakterienkulturen besorgen. Er arbeitet dabei mit menschlichen krebserregenden Genen, den„Onkogenen“. Bullerdiek legt jedoch Wert auf die Feststellung: „Es liegen hier nicht irgendwelche Viren rum, die Onkogene bei sich tragen.“

Noch zwei weitere Hochschullehrer, Prof. Nehrkorn und Prof. Walter, sind mittlerweile auf den Geschmack gekommen, und wollen gentechnische Vorprodukte in ihren Labors einsetzen. Aus seiner Erfahrung von anderen Universitäten ist sich der Bremer Vorreiter Hildebrandt sicher: „Da werden noch mehr kommen. - Deshalb wollen wir ja die neue Professur.“

B.D.