Freie Frauen und gefallene Göttinnen

■ Agitatorische Zeichnungen über die Heldinnen der Revolution, Porträts der Großen Männer - eine Ausstellung in Berlin zeigt Werke von Künstlerinnen aus der Französischen Revolution / Die Frau als Allegorie für Freiheit und Vernunft in den Mänerbildern

Birgit Schönberger

Sofern Frauen in der Französischen Revolution überhaupt Eingang in die Geschichtsschreibung fanden, so taten sie es als streitbare Ladenstürmerinnen, zeternde Fischweiber und vor allem als todesmutige Amazonen im Reitkostüm, mit Pistole und Säbel bewaffnet, bereit, für die Revolution zu sterben. Und mit diesem neuen Frauentypus der unerschrockenen Revolutionsheldin beschäftigen sich auch einige Darstellungen von Künstlerinnen aus der Französischen Revolution, die die Kunsthistorikerin und Bildhauerin Elke Harten zusammengestellt hat. Tausende von Bögen hat sie in den verschiedenen Pariser Kupferstichkabinetten durchstöbert auf der Suche nach Arbeiten von Künstlerinnen, die jetzt im „Verborgenen Museum“ in Berlin in Form von Fotoreproduktionen vorgestellt werden.

Zum Beispiel ein Kupferstich von Fanny Ferrey, den sie als einzige Frau neben Marguerite Gerard bei einem Kunstwettbewerb der Akademie einreichte. Das Thema: die legendäre Anekdote der Krämerin von St.Milhier, die mit einer Pistole auf ein Pulverfaß zielte und so einige säbelbewaffnete Konterrevolutionäre, die vor Schreck den Mund weit aufrissen, aus ihrem Laden vertrieb. Oder der Kupferstich einer unbekannten Künstlerin, der die heroische Tat der Marie Royer festhält: Marie Royer war ihrem Mann in die Armee gefolgt und rettete todesmutig einen Soldaten vor dem Ertrinken. „Wenn ich schon für mein Vaterland nicht kämpfen darf, so habe ich doch die Genugtuung, einen seiner Verteidiger gerettet zu haben“, soll sie gerufen haben. Große Männer,

jugendliche Helden

Neben diesen agitatorischen Arbeiten zum Thema der sogenannten „femmes libres“, der „freien Frauen“, fand Elke Harten natürlich auch ganz klassische Porträts der führenden Revolutionäre. Denn die Porträtmalerei war das den Frauen zugeschriebene Fach an der Akademie. Bemerkenswert ist, daß sich in den Porträts von Frauen manifestiert, wie die anfängliche Revolutionsbegeisterung der Künstlerinnen nach 1793 in Enttäuschung umschlägt. Wurden zu Beginn der Revolution die „großen Männer“ wie Robespierre, Marat und Danton bevorzugt porträtiert und als Helden verehrt, so mußten die „Männer der ersten Stunde“ spätestens nach dem Beginn der Schreckensherrschaft dem Typus des jugendlichen Helden weichen, in den noch all die Hoffnungen gesetzt werden konnten, die die großen Revolutionäre bereits im Blut ertränkt hatten. Die Göttinnen

Szenenwechsel: Eine Frau zertritt mit ihren Füßen die Hydra des Despotismus und hält in der linken Hand die Keule des Herkules, Symbol des bewaffneten Volkes. Daneben: Eine Frau steht auf der Erdkugel, um die sich die zersprengte Kette der Sklaverei schlingt. Die Strahlen der aufgehenden Sonne kündigen ein neues Zeitalter an. Die Zukunft ist weiblich. Unter dem Titel Imagination der Weiblichkeit 1789 - 1799 hat Elke Harten Werke von Künstlern, vorwiegend Allegorien, ausgesucht, die einen Eindruck vom männlichen Frauenbild der Revolutionsjahre vermitteln sollen. Die Frau erscheint entweder als gütige Natur, die allen Kindern der Revolution ihre übergroßen Brüste anbietet, oder sie wird zum göttlichen Wesen emporgehoben, das die Prinzipien der Revolution Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (!) und die Hoffnung auf ein neues Zeitalter der Liebe und Gerechtigkeit verkörpert.

Emporgehoben im wahrsten Sinne des Wortes, denn zum Kult der Revolution und des Vernunftprinzips wurden Frauenfiguren auf eigens dafür aufgeschütteten Sandbergen aufgestellt, die von hoch oben die Tugenden der Revolution verkündeten. Während der Feste des höchsten Wesens, der Vernunft, bestieg die Freiheit den Berg, um die Huldigungen der Republik entgegenzunehmen. Oder die „Göttin der Vernunft“ fuhr im Triumphwagen durch die Straßen. Gefühl und Muttermilch

Die Vernunft trägt den Körper einer Frau. Jedoch nur in der Kunst, in der männlichen Phantasie, versteht sich. Daß die Vernunft in zahlreichen Darstellungen als Frauengestalt in Erscheinung tritt, ist ein blanker Hohn, denn just zu dem Zeitpunkt, als eben diese Allegorien entstanden, wurde die Frau im Konvent zum reinen Gefühlswesen erklärt, das zu ernsthaftem Nachdenken von Natur aus unfähig sei. „Im Allgemeinen sind Frauen kaum zu hohen Vorstellungen und ernsthaftem Nachdenken fähig.“

Nach der göttlichen Erhebung kam, wie es kommen mußte, der Fall der Frau vom Berge der Vernunft, von Elke Harten nicht ohne Ironie in einem Objekt festgehalten. Am 30.April 1793 wurde Frauen das Tragen von Männerkleidung und Waffen verboten. Am 30.Oktober 1793 wurden sämtliche Frauenclubs geschlossen. Frauen wurden auf ihre „Natur“ zurückverwiesen: „Den Geist und das Herz der Kinder auf die öffentlichen Tugenden vorzubereiten, sie von früh an zum Guten hin zu lenken, ihr Gemüt zu entfalten und sie im Freiheitskult zu unterweisen, darin bestehen ihre Aufgaben.“ So flößt die Frau als gute Mutter und echte Bewahrerin der Natur in zahlreichen Darstellungen ihren Kindern die neuen Tugenden mit der Muttermilch ein und liest ihnen zudem aus der Menschenrechtserklärung vor. „Das Vaterland unterrichtet seine Kinder, es bietet allen Kindern seine Brust, und die Vernunft erleuchtet sie“, ist darunter zu lesen.

Die Ausstellung „Kunst von Frauen und Imagination der Weiblichkeit 1789 - 1799“ im Verborgenen Museum, Schlüterstr.70, ist bis zum 6.August zu sehen. Die Öffnungszeiten sind: Donnerstag und Freitag von 15 bis 19 Uhr und Samstag und Sonntag von 12 bis 16 Uhr.