Staatsanwalt fordert Lebenslänglich

Plädoyers im Palme-Mordprozeß / Nur ein „Münchhausen“ entlastet den Angeklagten  ■  Aus Stockholm G.Pettersson

Im Mordprozeß Olof Palme hat die Anklage gestern vor der Schöffenkammer eine lebenslange Freiheitsstrafe für den 42jährigen Christer Pettersson gefordert. Nach Ansicht von Oberstaatsanwalt Anders Helin kommt nur der des Mordes angeklagte Pettersson und niemand anders als Täter in Frage. Stärkstes Glied in Helins Beweiskette ist Lisbet Palme, Witwe des ermordeten schwedischen Regierungschefs. Sie identifizierte im Gerichtssaal mit „absoluter Sicherheit“ Christer Pettersson als den Mann, der am 28.Februar 1986 um 23.31 Uhr Olof Palme erschoß. Darüber hinaus baut die Anklage auf eine Reihe von Zeugenaussagen, die den Angeklagten allesamt an den Bereich zwischen Kino „Grand“ das die Palmes vor dem Mord besuchten - und Mordplatz binden. Der wegen Totschlags vorbestrafte Angeklagte erklärt vom ersten Verhör bis heute, daß er den Mordabend im Spielklub „Oxen“ verbracht und danach direkt mit dem Nahverkehrszug nach Hause gefahren sei. Gegen diese Version spricht unter anderem die Aussage des Zeugen Roger, der den Angeklagten seit Jahren kennt und der ihn am Mordabend vor dem Kino „Grand“ sah. Auch ein Wurstverkäufer will von seinem Kiosk aus beobachtet haben, daß es Pettersson und kein anderer war, der den Palmes folgte.

Durch Zeugenaussagen scheint auch belegt, daß sich nur drei Personen - also die Palmes und der Täter - und kein anderer denkbarer Mörder am Mordplatz befanden. Nach wie vor allerdings fehlen in dem Mordprozeß die technischen Beweise wie zum Beispiel die Tatwaffe. Niemand hat den 42jährigen Angeklagten mit einer Waffe in der Hand gesehen. Viele der Tatzeugen, die den Mord zum Teil wie von einem Parkettplatz aus verfolgten, sahen alles - bis auf das Gesicht des Mörders. Ein in seinem Auto wartender Musiklehrer spricht vor Gericht davon, daß „das alles wie ein Abschlachten, wie eine Hinrichtung“ auf ihn wirkte. „Das war nichts, was übers Knie gebrochen organisiert war, das war wohlüberlegt.“ Und außerdem gibt es die Zeugenaussage des 68jährigen Algot Asell, der den Angeklagten zur fraglichen Zeit auf einem Bahnsteig in Märsta, rund 35 Kilometer vom Mordplatz entfernt, gesehen haben will. Diese Aussage überraschte zunächst; inzwischen hat die Glaubwürdigkeit des Algot Asell gelitten, einige Zeugen schilderten ihn „als größten Lügner Schwedens“. Ein Sozialarbeiter allerdings, der den 68jährigen gut kennt und von der Verteidigung als Zeuge gehört wurde, meinte: „Ich glaube, jetzt sagt Asell mal die Wahrheit. Auch Münchhausen hat das ja ab und zu getan.“ Asells Aussage steht also gegen die all jener, die Christer Pettersson vor dem Kino und am Mordplatz ausmachten. Welche Aussage falsch ist, muß das Gericht herausfinden. Keine leichte Aufgabe bedeutet auch die Wertung der Aussage Lisbet Palmes. Kann sie sich drei Jahre nach dem Mord so sicher sein, hat sie nicht den Falschen ausgeguckt? Fragen, die die Verteidigung stellt. Denn während Lisbet Palme - die einzige, die den Mörder von Angesicht zu Angesicht sah darauf beharrt, als Psychologin auch in der Mordsituation die Übersicht nicht verloren zu haben, schildern Zeugen den Zustand der Kronzeugin als „hysterisch, nicht ansprechbar, schockartig“. Der Prozeß wird am Montag mit dem Plädoyer der Verteidigung fortgesetzt. Die Urteilsbegründung wird Ende Juli erwartet.