: Als Krüppel aus dem Knast?
§129a-Inhaftierter Christoph von Hören ist schwer erkrankt / Freunde sprechen von akuter Lebensgefahr / Haftentlassung abgelehnt ■ Von Peter Müller
Hamburg (taz) - Die sofortige Freilassung des politischen Inhaftierten Christoph von Hören haben seine Anwälte sowie mehrere politische Organisationen gefordert. Christoph von Hören liegt seit Mitte März - mit einigen Unterbrechungen auf der Intensivstation des nordrhein-westfälischen Knastkrankenhauses Fröndenberg und mußte sich seither zahlreichen komplizierten Operationen unterziehen. Von Hören wurde wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ (§129a StGB) zu 18 Monaten Knast verurteilt er hatte 1986 auf einer Veranstaltung zur Zusammenlegung der politischen Gefangenen und für die Freilassung des schwererkrankten RAF-Inhaftierten Günter Sonnenberg durch einen Redebeitrag mitgewirkt. Seit dem 30.Oktober 1988 sitzt von Hören im Bielefelder Knast.
Seinen ersten körperlichen Zusammenbruch erlitt Christoph von Hören am 1.März dieses Jahres, indem sein linker Lungenflügel zusammenklappte (Mantelpneu oder Pneumothorax). Von Hören wurde aus Brackwede I auf die Intensivstation des Knastkrankenhauses Frönderberg verlegt. Kaum war sein linker Lungenflügel annähernd verheilt, bekam er einen Rückfall, und sein rechter Lungenflügel klappte zusammen.
Seither bekamen die Ärzte diese Krankheit nicht in den Griff: Immer wieder kam es zu „spontanen Pneus“ (Lungenflügelzusammenbrüchen). Am 15.Juni operierten die Knastärzte Christoph von Hören und nahmen ihm ein fünf Zentimeter großes Stück der Lunge heraus. Angeblich hatten ihm die Knastärzte versichert, so Freunde gegenüber der taz, daß damit die Behandlung erfolgreich abgeschlossen werden könne.
Doch die Mediziner mußten ihre Diagnose revidieren: Mittlerweile wollen die behandelnden Knastärzte festgestellt haben, daß Christoph von Hören an einem Lungenemphysen leidet. Das ist eine Lungenkrankheit, bei der es zur Überblähung der Lunge kommt. Lungenbläschen schließen sich zu einer größeren Blase zusammen, dadurch ist die Oberfläche der Lungenbläschen viel kleiner als normal, und der Betroffene hat einen stark herabgesetzten Gasaustausch - ist also chronisch mit Sauerstoff unterversorgt. Die Krankheit gilt als unheilbar. Weitere Lungenflügelzusammenbrüche sind also - entgegen der Aussagen der Knastärzte vorprogrammiert.
Doch damit der Schicksalsschläge nicht genug: Zudem wurde bei Christoph von Hören unmittelbar vor seinem Zusammenbruch im März festgestellt, daß er an der Bechterewschen Krankheit leidet. Das ist eine rheumatische Entzündung von Rücken und Becken, die zur Versteifung und Verkümmerung der Wirbelsäule führt. Bechterew gilt ebenfalls als unheilbar, das Fortschreiten der Krankheit kann aber durch optimale medizinische Behandlung verlangsamt oder sogar zeitweise gestoppt werden. Dafür ist allerdings ein umfangreiches Programm an Bädern, Massagen und Krankengymnastik notwendig. Durch die lange Liegezeit im Knastkrankenhaus ist diese Krankheit weiter fortgeschritten, im Gegenzug führt die weitere Verkrümmung der Wirbelsäule zum Fortschreiten des Lungenemphysens, weil eine normale Tiefatmung fast unmöglich wird.
Wenn Christoph von Hören also in einem Jahr den Knast nicht als unheilbarer Krüppel verlassen soll, muß er, so Freunde und Anwälte, sofort umfangreich durch Lungen-Spezialisten, Rheumatologen und Krankengymnasten außerhalb der Haftanstalt in Kliniken behandelt werden. Doch bislang lehnte die Knastleitung selbst die Hinzuziehung von Spezialisten in Fröndenberg ab und ließ die Knastärzte vor sich hin doktern. Von Hören wurde am letzten Wochenende von der Chirurgie auf die Innere Abteilung von Fröndenberg verlegt.
Von Hörens Verteidiger werden bei Nordrhein-Westfalens Justizminister Krumsick umgehend einen Antrag auf Haftunterbrechung stellen. Anwalt Dieter Adler: „Unser Mandant ist absolut haftunfähig, das haben uns mehrere Ärzte versichert. Diese Überzeugung müssen die Ärzte drinnen (im Knastkrankenhaus, d.Red.) allerdings mittragen, das wird ein Problem sein.“
Kontakt: Justizvollzugskrankenhaus, Hirschberg 9, 5758 Fröndenberg; Proteste: Justizminister Krumsick (SPD), Martin -Luther-Platz 40, 4000 Düsseldorf 1
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen