Polen gegen deutschen Revisionismus

■ Polnisches Parteiblatt 'Trybuna Ludu‘ kritisiert die jüngsten Äußerungen bundesdeutscher Politiker sowie das Bonner Gefeilsche um Kohls Visite / „Bonn ist jeder Vorwand gut genug“

Warschau (taz) - Unter dem Titel „Aufflammen antipolnischen Revisionismus in der BRD“, attackiert das Parteiorgan der PVAP, 'Trybuna Ludu‘, in einem Redaktionskommentar der Mittwochausgabe auf der ersten Seite führende Politiker der Bonner Regierung sowie die jüngsten bundesdeutschen Auseinandersetzungen um das vorläufige Scheitern der Kohl -Reise. Der Artikel ist seit längerem der erste, der an so prominenter Stelle und mit derart deutlichen Worten das Thema „Revisionismus“ in der BRD wiederaufgreift. Anlaß sind die Äußerungen von Finanzminister Waigel und CDU -Generalsekretär Geißler zum Thema Deutsche Frage und weiterbestehen des Deutschen Reiches. Waigels Äußerung, kein Rechtsakt habe bisher die Ostgebiete vom Kern des Deutschen Reiches getrennt und die Ostverträge seien lediglich ein Gewaltverzicht, aber keine Anerkennung, bezeichnet die 'Trybuna Ludu‘ als Äußerung, die die territoriale Integrität Polens in Frage stelle. „Grundlage einer vollen Normalisierung unserer Beziehungen“, unterstreicht das Parteiorgan, könne nur der Verzicht auf jegliche territoriale Forderung gegenüber Polen jetzt und in Zukunft sein.

Scharfe Kritik übt die Zeitung auch am vorläufigen Ausgang der Verhandlungen um Kohls Reise nach Warschau und die Frage neuer Kredite: „Im Gegensatz zu anderen führenden europäischen Staaten befindet sich die BRD am hintersten Ende, was Kontakte auf höchster politischer Ebene mit Polen angeht“, stellt die 'Trybuna Ludu‘ fest. „Man kann sogar den Eindruck gewinnen, als würde die BRD, während sie zugleich ihre Beziehungen mit anderen Staaten des Warschauer Pakts intensiviert, absichtlich Warschau umgehen.“ Den Eindruck, die Bundesrepublik suche eine Verständigung mit Moskau über Warschau hinweg, teilen auch politische Beobachter in Warschau, die mit der politischen Linie der 'Trybuna Ludu‘ ansonsten nicht das Geringste zu tun haben wollen. Das Argument, Polen sei innenpolitisch noch nicht stabil genug für solche Kontakte bzw. für neue Kredite, weist die 'Trybuna‘ von sich: andere Mitglieder der ehemaligen Anti -Hitler-Koalition seien dieser Ansicht offenbar nicht, heißt es in bezug auf den jüngsten Besuch Mitterrands und den anstehenden Besuch von Präsident Bush. „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß für Bonn jeder Vorwand gut genug ist, um mit den Polen aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln“, schreibt das Blatt weiter. In der letzten Woche sei man Zeuge eines Bonner Spiels gegen die Lebensinteressen der Polen und Polens“, geworden, heißt es in Bezug auf die Äußerungen während des Schlesier-Treffens. Eine solche Politik, heißt es zum Abschluß, sei für Polen nicht annehmbar und Polen werde nicht zur Tagesordnung übergehen.

Klaus Bachmann