Kind und Kegel, Hund und Hollandrad

■ Kultur-Flaneure breminalten donnerstags zwischen Sissy Perlinger und New Dance aus Freiburg

Am Abend stapft man die Hänge zu den Deichwiesen hinunter, über Massen zierlich herumsitzender Menschen, Bierbecher, Fischbrötchenreste, durchgeschwitzte T-Shirts, Jacken, leere Zigarettenschachteln. Unten - zwischen Chinapfanne, Tofu, Weingummi und Ohrgehängen - stapft man über andere Menschen, die auf plattgetretenem Weserufergras die schwüle Sommernacht verschwatzen. Bier und Häppchen und haufenweise Alternativ-Flaneure mit Kind und Kegel, Hund und Hollandrad.

Die laue Luft versetzt den Abend mit Kohlensäure: Er blubbert. Die Leute prusten darin, schwitzen, halten die Haut aus den Sommerkleidern. Das ist die Hauptsache. Und wer 'nen Button hat, schaufensterbummelt durchs versammelte Kulturangebot. Die „Breminale“ nämlich ist längst vom Kleinkunst-Gemischtwarenladen zum Mega-Supermarkt geworden. Das Angebot ist nicht unbedingt hochwertig, aber viel und alles unter einem Dach. Das verkürzt angenehm die Wege, aber nichts paßt wirklich zueinander.

Alle schnuppern mal herein, grabbeln, stöbern und gehen wieder. Der wahre Fan ist in der Unterzahl: kein verkumpelndes Drängeln, keine „Großartig„-Seligkeit zum Dranfesthalten für die lange Woche und nicht die Sehnsucht richtiger Popkonzerte.

Und selbst bei Sissy Perlinger, eine verdrehte Münchner Mischung aus Bette Middler, Cleo Kretschmer, Nina Hagen, Nena, Anneliese Rothenberger, Georg Ringsgwandel, Heidi, Sydney Rome und Barabra Streisand, gehen die Meinungen auseinander.

Ich z.B. stand ganz gerührt von soviel wibbelnder Energie, schrägem Sex, Brüll-und Pssst-Witz, dem ganzen Haufen knatschbunt ausgedachter, liebevoll detaillierter und nach jedem (!) Stück verwechselten Kostümierungen, den gutaussehenden Musikermännern und Pop-Oper-Cabaret-Anleihen für So-sind-die-Männer-so-sind-sie-eigentlich-nicht -Liebeslieder - ich also stand ganz gerührt auf den wackelnden Bohlen des „Kraftwerk“. Und es hat Leute gegeben, denen es gar nicht gefallen hat.

So ist das mit der Breminale. Man geht nicht hin, weil man Sissy Perlinger liebt, sondern weil man einen Button hat. Das ist wie Einkaufszentrum irgendwo in der Vorort -Wallachei: Man will bloß das superbillige Katzenfutter haben und endet - weil man schon mal da ist - mit 23 Plastiktüten. Es gibt Sparten auf der Breminale, aber keine Schwerpunkte. Da lernt man Dinge ken

nen, für die man sonst nie gekommen wäre. Das bildet und verdirbt anderen den Spaß, weil man doch nie richtig mitmacht.

Übermütig etwa vom Gegröhle, Getanze und feuchten Gedrängel hastet man womöglich nach Sissy Perlinger in die „Schleuse“: Menschen auf Klappstühlen, Theaterruhe, bloß der Mainstream -Pop von der Würstchenbude weht durch den Eingang. Drei Menschen auf der Bühne, leise, unspektakulär, Kunst mit Konzept - was für Mädchen, die Yoga mögen, Kunsthandwerk und Naturheilverfahren. Durch's Zeltdach dringt Applaus für die Perlinger, hier herrscht Bedacht. Man klappt die Händlein erst, wenn ganz bestimmt alles vorbei ist. „Dreisam ist ein Fluß“ des „New Dance Projekt“ (Freiburg) war für Klappstuhlbesitzer wahrscheinlich wirklich gut. Nach der Perlinger aber gelingt es nicht, es zu mögen. p