Kaufhaus-Streik als Shopping-Attraktion

■ Gegen den Dienstleistungsabend legten 1.500 Beschäftigte sieben Filialen lahm / Morgen geht der Ausstand weiter

Den Widerruf der Tarifvereinba rungen müssen sich die bremischen Einzelhandels-Unternehmer einiges kosten lassen. Hatten sie Anfang der Woche einen nur wenige Tage zuvor signierten Kompromiß zum Dienstleistungsabend wieder aufgekündigt, so antworteten die Gewerkschaften HBV und DAG gestern mit einem ganztägigen Streik von etwa 1.500 ArbeitnehmerInnen.

Nahezu lahmgelegt waren die Filialen von Karstadt, Horten, Leffers, Dyckhoff, Quelle und Obi.

Streikposten hatten symbolische Bannmeilen gezogen oder mit Luftballons und Umzugskisten Eingänge verbarrikadiert. Nur wenige Arbeitswillige hatten sich in die Häuser gedrängelt, aber die Kundschaft blieb aus. Zumeist verständnisvoll reagierten nach übereinstimmenden

Auskünften der Streikenden die KäuferInnen. Sie bevölkerten die umliegenden Cafes und pilgerten zu den kleinen Lädchen. Der Publikumsstrom in der Obernstraße versiegte nicht, aber die großen Konsumtempel blieben verwaist. Nur die Schaufensterpuppen belebten all die modischen Treffs und hochgestylten Verkaufsetagen.

Beim Karstadt Sportpalast

blieben potentielle Kunden nicht ausgesperrt. Die Geschäftsleitung hatte dafür gesorgt, daß die Eingangstüren offen standen. Doch wer sich tatsächlich einen Weg durch die Menge gebahnt hatte, wurde drinnen freundlichst hinauskomplimentiert - von der Geschäftsleitung, denn zum Verkaufen war niemand da. Mit Streikbrechern aus der Düsseldorfer Hauptverwaltung wollte Horten den Betrieb aufrechterhalten, dabei kam es auch zu Rangeleien mit den Streikposten. „Die Polizei“, so HBV-Mitglieder „hat sich bei der Gelegenheit nicht vor den Karren von Horten spannen lassen“ und die Streikbrecher zur Ordnung gerufen. Einen einzigen ernsteren Zwischenfall gab es am Vormittag bei der Karstadt-Warenannahme. Gewerkschaftsmitglieder hatten die Einfahrt in die Tiefgarage versperrt, Polizisten die anfahrenden LKW's bereits weiträumig abgefangen. Ein Karstadt-eigener

LKW aber hatte sich durchgeschlagen und hielt auf die Streikposten zu. Zwei wurden angefahren, aber nicht ernstlich verletzt, teilte die HBV am Abend mit.

Ein voller Erfolg gegen den Tarifbetrug des Einzelhandelsverbandes sei die Aktion gewesen, erklärten am Abend die Streikleitungen. Die Beschäftigten seien „hochmotiviert“, die Stimmung - bei glänzendem Wetter und guter Straßenmusik - „ausgezeichnet“. Beste Voraussetzungen also, den Streik auch heute fortzuführen. In den Arbeitskampf greift dann auch die Belegschaft von Wertkauf ein. Die dort gewerkschaftlich organisierten ArbeitnehmerInnen hatten sich in den vergangenen zwei Tagen zu 95 Prozent für Streik ausgesprochen. Damit würde erstmals ein Konzern von der „grünen Wiese“ in Arbeitskampfmaßnahmen des Einzelhandels miteinbezogen werden.

Andreas Hoetzel