Wegweisendes Urteil

Das Verwaltungsgericht erklärte den Kessel für rechtswidrig  ■ K O M M E N T A R

Seit gestern steht es - zumindest in erster Instanz - fest: Der Polizeikessel am 12. Juni 87 während des Besuchs von US -Präsident Reagan war rechtswidrig. Fast möchte man glauben Berlin steht Hamburg in Sachen Polizeikessel in nichts nach. In beiden Städte gibt es eine große demonstrationsfreudige Alternativ- und Politik-Szene, beide beide Städte leben mit ihrer Haßkappenfraktion. Beide Städte haben eine zumindest in Teilen äußerst skrupellos agierende Polizei, die es mit Grundrechten auf Versammlungsfreiheit, beziehungsweise in unserem Fall mit dem Polizeigesetz nicht so genau nimmt. In beiden Städten wurden die folgenschweren Polizeieinsätze von den zuständigen Kammern des Verwaltungsgerichts korrigiert.

Im Unterschied zu Hamburg, wo der Innensenator Rolf Lange unter anderem wegen des Kessels seinen Hut nehmen mußte, blieb der Berliner Innensenator Wilhelm Kewenig jedoch im Amt. Und das obwohl er am Tage des Reagan Besuchs nicht nur den Tauentzien Kessel sondern die Abriegelung eines Kreuzberger Bezirks politisch zu verantworten hatte. Wegen der Abriegelung des Bezirks ist noch eine Klage vor Gericht anhängig. Kewenig fiel erst durch rot-grün, doch die Hardliner in der Polizei sind weiter im Amt. Das Gericht hat mit dem gestrigen Urteil die neue Linie des Senats bestätigt und ein richtungsweisendes Urteil gesprochen, das noch weit über das Hamburger Urteil hinausgeht: In Berlin wurde nämlich nicht das Versammlungs- sondern das Polizeigesetz falsch ausgelegt. Der Rechtsvertreter der Polizei verlangte vor Gericht eine rechtspolitische Entscheidung. Er hat sie, wenn auch nicht in seinem Sinne, bekommen. Ob sich die Hardliner in der Polizeiführung danach richten werden, ist jedoch äußerst fraglich.

Plutiona Plarre