KELLNERMANGEL

■ Zypern stoppt den Bau von Hotels und Ferienanlagen / Ökonomische und ökologische Probleme haben sich gegen den Tourismus verschworen

Die Notbremse gezogen hat die Regierung der Republik Zypern: Seit drei Wochen werden keine Genehmigungen für den Neubau von Hotels mehr erteilt. Der Bann betrifft große Bettenburgen ebenso wie kleine Ferienwohnungen. Für zunächst zehn Monate wird schlicht keinerlei touristisches Bauvorhaben in Küstennähe mehr erlaubt. Gleichzeitig wurden Steuervergünstigungen für die Tourismusindustrie aufgehoben.

„Spät, aber nicht zu spät“, kommentierte die zypriotische Presse das vorläufige Ausscheiden der Insel im internationalen Wettbewerb um zubetonierte Küsten. Einzig in der westlichen Region Paphos regt sich Protest: Dort ist die Tourismusindustrie vergleichsweise noch am geringsten entwickelt und die Manager und örtlichen Honoratioren sehen sich um den Fortschritt betrogen. Ansonsten jedoch signalisierten die Hoteliers Einverständnis mit der Regierungsentscheidung.

Tatsächlich droht der rasante Bauboom in Küstennähe die Tourismusindustrie um die eigene Klientel zu bringen. Mit Steigerungsraten von über zehn Prozent im Jahr hat die Zahl der ausländischen Urlauber 1988 die Millionengrenze überschritten - und das bei rund 550.000 Einwohnern. Ganze Küstenregionen - so bei Limassol und Larnaka - sind flächendeckend mit Hotels überzogen. Infrastrukturmaßnahmen kamen bei diesem Boom nicht mit: Fünf-Sterne-Hotels, aber keine Bürgersteige, luxuriöse Ferienwohnungen, aber keine städtischen Kläranlagen. Für den Sommer drohen Probleme in der Wasserversorgung in einigen Regionen - denn Touristen, so haben Untersuchungen ergeben, duschen überdurchschnittlich häufig.

Die Ökologiebewegten der Insel fordern schon lange ein Ende des ungebremsten Wachstums der Tourismusindustrie. „Die eine Hälfte Zyperns ist von der Türkei besetzt. Jetzt zerstören wir den Rest auch noch selbst“, beklagen sie. Mehr und mehr Zyprioten protestieren gegen die Umwandlung blühender Landschaften mit zum Teil seltener Pflanzenwelt in austauschbare Betonsiedlungen. Der Baustopp zeigt, daß inzwischen auch Hoteliers und Regierung begriffen haben, daß der Ausverkauf der Küstenregionen im Namen der Devisenbringer keine Lösung ist: gesucht sind schließlich nicht die Billigtouristen, sondern anspruchsvolle Gäste mit entsprechendem Geldbeutel. Und die wollen eben mehr als Strand und Doppelzimmer mit WC.

12.000 Hotelbetten befinden sich derzeit noch im Bau. Doch woher all die Kellner, Köche, Zimmermädchen und sonstiges Personal herkommen soll, ist ein Rätsel. Bei nur rund zwei Prozent Arbeitslosigkeit herrscht auf Zypern Vollbeschäftigung. Schon jetzt suchen Hoteliers, Restaurantbesitzer und Baufirmen händeringend nach Arbeitskräften. Knapp 1.000 Zyperntürken aus dem besetzten Nordteil der Insel haben neuerdings das Privileg, als Gastarbeiter im eigenen Land für harte Zypernpfund statt schwindsüchtiger türkischer Lira zu schuften - ohne Sozialleistungen, versteht sich. Die Kartoffeln auf den Feldern bei Ayia Napa verfaulen, weil die Bauern lieber als hochbezahlte Kellner arbeiten. Die Löhne für Bauarbeiter steigen und steigen, weil sich die Baufirmen die wenigen qualifizierten Arbeiter gegenseitig abzuwerben versuchen.

Die Regierung will nun versuchen, vor Jahrzehnten nach Großbritannien ausgewanderte Zyprioten und ihre Kinder zur Rückkehr in die jetzt so reiche alte Heimat zu bewegen. Im Arbeitsministerium sind gar Überlegungen im Gang, auf dem westeuropäischen Arbeitsmarkt temporäre Arbeitskräfte anzuwerben. Werden die Souvlaki demnächst von Stephen aus Liverpool oder Karl-Heinz aus Wanne-Eickel serviert?

Klaus Hillenbrand