Wirtschaftsskandal beutelt Zweite Republik

Salzburger Baumafia schädigt Staat und AnlegerInnen um 150 Millionen Mark / Spitzenpolitiker der Stadt werden mit schweren Vorwürfen konfrontiert / Bis zu 20 Prozent der staatlichen Wohnungsbauförderung sollen in dunkle Kanäle geflossen sein  ■  Von Karl Lind

Berlin (taz) - Nach den sogenannten Politskandalen „Lucona“ und „Noricum“ inszenieren Österreichs Medien aktuell den größten Wirtschaftsskandal der „Zweiten Republik“. Dieses Mal hat's die „Salzburger Baumafia“ (Diktion Bundesgeschäftsführer der Grünen, Johannes Voggenhuber) erwischt.

Am Dienstag dieser Woche wurde in Wien das Konkursverfahren über die Salzburger „Bautreuhand GmbH“ eröffnet, vier Tage zuvor war der Bautycoon Bernd Schiedek verhaftet worden. Schiedeck ist die Zentralfigur der Milliardenpleite und guter Freund einiger Spitzenbpolitiker. Nun kam es, daß die Polizei so lange mit der Verhaftung zögerte, bis ein Vertreter der Grünen per Telefon bei Justizminister Foregger direkt intervenierte.

In der darauffolgenden Nacht fielen in den Büros des Baulöwen Berge von Akten der Vernichtung anheim. Die Behörden hatten die Räume nicht versiegelt, die Polizei mußte so hilflos zusehen, da kein Untersuchungsrichter greifbar war.

Schiedeks rege Tätigkeit der vergangenen Jahre hat einen geschätzten Schaden von rund 150 Millionen Mark zur Folge: Über die Ver- und Ineinanderschachtelung von Firmen sahnten der Baulöwe und Co. Gelder der öffentlichen Wohnbauförderung ab und brachten kleinere Anleger um ihre Investitionen. Das Konglomerat von Gesellschaften mit meist sehr beschränkter Haftung ist hochkomplex.

Das System mag kompliziert sein, aber es hat Methode. Verkürzt formuliert lassen sich zwei Gruppen herausschälen:

a) Die IMMAG AG, Österreichs größte Immobilienfonds, die als einziges österreichisches Unternehmen an der Luxemburgischen Börse notiert. Über die AG wurden Hausanteilsscheine sowie Akten verscherbelt. Die Gesellschaft steht vor dem K.o. Jetzt werden die WertpapierbesitzerInnen panisch ihre Zettel ob des Crashs zu cash machen wollen. Sehen werden sie allerdings nichts davon aufgrund von Fehlinvestitionen der Gesellschaft. Die IMMAG ist mit den Schiedek-Firmen eng verflochten.

b) Im Dunstkreis der zweiten Gruppe tummeln sich an die hundert Firmen und Firmchen rund um das Zentrum Schiedek und die gemeinnützige Wohnbaufirma „WEB“. Der Tycoon und seine Managerfreunde („Das Gremium“) herrschten über die Salzburger Bauszene. Neben der WEB-Gemmeinnützig hatten sie zum Zwecke der ungestörten Bereicherung eine „WEB -Freifinanziert“ gegründet, die muntere Geschäftstätigkeit mit der „Nährmutter“, so der Grüne Voggenhuber, pflegte.

Nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz dürfen die Gemeinnützigen keinen Gewinn einstreifen, da sie jedoch wider die Bestimmung profitanel arbeiteten, wurden die Erträge in die von Schiedek dominierten Privatfirmen umgeleitet. Der dikrete Gewinntransfer verhalf etlichen Beteiligten zu einer „immensen Bereicherung“, so der Grünen Fraktionschef Andreas Wabl zur taz.

Nach einfachem Strickmuster wurde Staatsknete abgesahnt: Die WEB-Gemeinnmützig verkaufte Immobilien unter ihrem Wert an die Privaten beziehungsweise kaufte weit überhöht von diesen. Nebenbei verrichtete sie diverse Arbeiten mehr als kostengünstig und übernahm Haftungen für spekulative Transaktionen der Nebenfirmen. Johannes Voggenhuber schätzt, daß damit ein bundesweiter Anteil von zehn bis zwanzig Prozent der gesamten Wohnbauförderung in „dunkle Kanäle“ fließt.

Schiedek & Co. sind keine Einzelfälle. Organisiert in Beiräten - damit der Ministerialbürokratie quasi angegliedert, ist die österreichische Bauindustrie mit der Politik traditionell hochverfilzt. Damit bietet sie den idealen Hintergrund zur persönlichen Bereicherung, Parteienfinanzierung und Steuerhinterziehung - Vorwürfe, die im aktuellen Finanzskandal Salzburger Spitzenpolitiker, wie Bürgermeister Reschen von der sozialdemokratischen SPÖ und Haslauer, Ex-Landeschef der Österreichischen Volkspartei, treffen.