David kämpft um die andere Revolution

In Paris findet heute die Gegenveranstaltung zu Mitterrands Jubiläumszeremonien auf der Bastille statt / Den sieben reichsten Nationen treten die sieben ärmsten Völker der Welt gegenüber  ■  Aus Paris Georg Blume

Schon viele wollten dem König die Feier stehlen, der Pariser Bürgermeister Jacques Chirac zum Beispiel oder zuletzt Michail Gorbatschow. Doch Mitterrand war immer auf der Hut und wehrte alle Angriffe ab. Das Jubiläum der Revolution sollte allein ihm gehören. Doch da tauchte Renaud auf. So jedenfalls heißt Frankreichs popmoderner David, der es wagt, den königlichen Goliath zum Kampf um die Revolution herauszufordern. Nicht etwa, weil er die Revolution nicht feiern möchte, sondern weil Mitterrand die Unsensibilität besaß, die sieben reichsten Länder der Erde zum Weltwirtschaftsgipfel im Anschluß an das Revolutionsjubiläum nach Paris zu laden, hat Schlagerstar Renaud dem eigenen politischen Ziehvater die Solidarität gekündigt. Deshalb singt er Samstag abend in einem Gratis-Konzert auf der Bastille unter dem Titel: „Schulden, Apartheit, Kolonien das reicht!“

Renaud, der bisher nie versäumte, Solidaritätsbekundungen für den Präsidentschaftskandidaten Mitterrand zu unterzeichen, schreibt heute: „Wir werden die Revolution, die noch kommt, besingen, während ihr glaubt, die der Vergangenheit zu ehren, ohne zu merken, wie euer Gipfel sie beleidigt.“

Wäre Renaud bei der französischen Jugend nicht so beliebt, hätte er nicht auch noch seine ebenso populären musikalischen Freunde Johnny Clegg und Malavoi für den heutigen Abend engagieren können, Mitterrand hätte das vorzeitige Revolutionsfest auf der Bastille getrost ignorieren können. Nun aber droht eine Gegenveranstaltung mit Massenzulauf. Denn Mitterrands Häscher kamen zu spät.

Jacques Attali, des Königs erster Berater, hatte alles daran gesetzt, um Renaud in letzter Minute zu besseren Taten zu überreden. Schließlich versuchte die sozialistische Partei, sich mit Renaud über einen gemeinsamen Aufruf zu einigen. Doch der plötzlich übereifrige Popsänger übernahm allein die Kosten des Konzerts (300.000 DM) und teilte den Sozialisten mit, daß an eine Mäßigung seinerseits nicht zu denken sei. Stattdessen haben sich andere zu Renaud gesellt.

„Mitterrand hat einen Fehler gemacht. Er hat sein Monopol auf die Feierlichkeiten verspielt“, freut sich Jean-Marie Fardeau, der mit seinem kleinen Dritte-Welt -Solidaritätsverein „Agir Ici“ den „Gegengipfel der sieben ärmsten Völker“ am kommenden Wochenende organisiert. Unterstützt wird er dabei von der „Internationalen Liga für die Rechte und die Befreiung der Völker“, die bereits in Berlin an den Gegenveranstaltungen zum Weltbankkongreß beteiligt war. Fardeau weiß, daß die Dritte-Welt-Gruppen in Frankreich nur eine „sehr kleine, elitäre Minderheit“ repräsentieren und begrüßt deshalb Renauds Initiative, die dem Gegengipfel „eine breitere Legitimation und größeres Medieninteresse bringen könnte“. Schlagersänger Renaud hat sich mit den Alternativ-Veranstaltungen, bei denen Vertreter aus verschiedenen Ländern der Dritten Welt sprechen sollen, solidarisiert.

Nicht zu erwarten sind radikalere Demonstrationen von unabhängigen Gruppen. „Autonome wie in Berlin gibt es bei uns schon lange nicht mehr“, meint Anne-Sophie Boisgallais, die ebenfalls zu den OrganisatorInnen des Gegengipfels zählt. Sie ist besorgt, daß ihre Bemühungen in den kommenden Tagen als reine „Anti-Mitterrand-Aktionen“ interpretiert werden. „Das wäre schon deshalb kontraproduktiv, weil Mitterrand immerhin der einzige ist, der die Interessen der Dritten Welt auf den bisherigen Weltwirtschaftsgipfeln überhaupt erwähnt hat“, bemerkt Boisgallais. „Uns liegt vielmehr daran, Mitterrand auf seine Erklärungen zum Schuldenabbau in der Dritten Welt festzunageln, und damit möglicherweise Kontroversen unter den westlichen Staatschefs zu entfachen.“

Ob Mitterrands Liebe zur Wohltätigkeit denn soweit geht, ist allerdings zu bezweifeln.

Zur offiziellen Revolutionsfeier am 14.Juli ist vorgesehen, zwei gegenüberliegende Ehrengasttribünen am Champs-Elysees aufzurichten, wo der Tradition entsprechend die französische Armee marschieren wird. Auf der einen Seite werden dann Frau Mitterrand, Regierungschef Rocard und 23 weitere Staatschefs aus aller Welt den Soldaten winken. Auf der anderen Seite aber bleibt die Tribüne Mitterrand und seinen sechs reichsten Gipfelgästen vorbehalten. „Das wird ins Lächerliche geraten“, schmunzelt Anne-Sophie Boisgallais.