Kohl: „Herzliche Grüße an Lech Walesa“

Vertreter der polnischen „Solidarität“ machen deutlich: Hilfe für Polen lohnt sich nur dann, wenn sie sich auch für den Geber lohnt / Voraussetzung: Mehr Markt und Aufgabe des staatlichen Eigentums an den Produktionsmitteln - und beides „sehr, sehr konsequent“  ■  Aus Bonn Ferdos Forudastan

„Nur eine reformierte Wirtschaft verdient Unterstützung von außen.“ So faßte gestern in Bonn Bronislaw Geremek, Fraktionsvorsitzender der Gewerkschaft „Solidarität“ im polnischen Abgeordnetenhaus, zusammen, wovon nach Ansicht seiner Organisation die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Polen und Bonn in Zukunft abhängen. Geremek hat auf Einladung der CDU-nahen Konrad Adenauer-Stiftung zusammen mit vier weiteren Vertretern der „Solidarität“ zwei Tage lang die BRD besucht. Vor Journalisten stellte er gestern kurz dar, worum es wohl auch in den Gesprächen mit Kanzler Kohl, Wirtschaftsminister Haussmann und Außenminister Genscher gegangen ist: Um die Voraussetzungen weiterer Wirtschaftshilfe.

Ein unverzeihlicher Fehler wäre es, zweckungebundene Kredite an Warschau zu gewähren, wie dies die BRD in den 70er Jahren tat. Die Vergabe von Krediten und die Zusicherung von Bürgschaften für Darlehen dürfe erst erfolgen, wenn „die Hilfe dem, der sie erbringt, auch nützt“. So befanden Geremek und Witold Trzeciakowski, Wirtschaftsexperte der „Solidarität“. Und sie machten recht deutlich, daß sie darunter Abkehr von einem Wirtschaftssystem sozialistischer Prägung verstehen: Investitionen in Polen müßten sich für das Ausland lohnen. Sie würden sich aber erst lohnen, wenn die Wirtschaft reformiert würde. Die Wirtschaft zu reformieren bedeute mehr Markt, die Aufgabe des staatlichen Eigentums an der Industrie - und beides „sehr, sehr konsequent.“

Auch ihre Beteiligung an der Regierung macht „Solidarität“ von der Einleitung eines verstärkten Reformprozesses in diesem Sinne abhängig. „Erst dann sind wir bereit, die schweren Folgen einer Wirtschaftsreform wie Entlassungen und Firmenschließungen zu tragen“ sagte Geremek.

Zum von der Unionsrechten in letzter Zeit bewußt gestörten deutsch-polnischen Verhältnis mochte sich die Delegation kaum äußern. Die Grenzdiskussion sei freilich schädlich, ansonsten seien die momentanen Schwierigkeiten zweitrangig. Zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen Bonn und Warschau um die Höhe der Hermes-Bürgschaften bezogen sie eine der Bundesregierung wohl genehme Position: Die Höhe der Bürgschaften sollte nach oben offen sein, wenn Investitionen sich wieder lohnten.

Auch die Zusammenkunft mit „Solidaritäts„-Vertretern hat Bundeskanzler Kohl nicht bewogen, sich auf einen Termin für eine Reise nach Warschau festzulegen. Er will, so Sprecher Klein, „reisen, sobald es geht“. Die zweite Information zum Thema deutsch-polnische Beziehungen: Der Kanzler habe der Delegation „herzliche Grüße“ an Lech Walesa mitgegeben.