Berliner Kessel war rechtswidrig

■ Gericht verurteilt Polizeimaßnahmen beim Reagan-Besuch / Über 600 waren eingeschlossen

Berlin (taz) - Im sechsten Stock des Berliner Verwaltungsgerichts knallten gestern mittag die Sektkorken: Der Polizeikessel vom 12.Juni 1987 während des Besuchs von US-Präsident Reagan, war rechtswidrig. Zu dieser Überzeugung kam die 1.Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts.

Über 600 Leute waren damals mehrere Stunden lang auf dem Tauentzien - zum Teil in strömendem Regen - eingeschlossen worden. Stellvertretend für die übrigen Kesselopfer hatten drei Frauen und Männer eine sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage gegen das Land Berlin erhoben. Muster für die Klage war der Rechtsstreit um den Hamburger Kessel, bei dem am 8.Juni 1986 rund 800 DemonstrantInnen bis zu 15 Stunden lang eingeschlossen worden waren. Die Einkesselung war vom Hamburger Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt worden, und die Hansestadt hatte an die Kläger jeweils 200 Mark Schmerzensgeld zahlen müssen.

Während das Hamburger Verwaltungsgericht davon ausgegangen war, daß es sich bei dem dort zur Verhandlung stehenden Fall um eine Spontandemonstration gehandelt hatte - die nach dem Versammlungsgesetz von der Polizei Fortsetzung auf Seite 2

allenfalls hätte „aufgelöst“ werden dürfen - neigte das Berliner Verwaltunggericht eher zu der Auffassung, daß es sich bei der hiesigen Demonstration um die Fortsetzung einer verbotenen Kundgebung gehandelt hatte. Rechtsgrundlage für die Einkesselung der Demonstranten hätte somit das Berliner Polizeigesetzt sein müssen. Doch dieses rechtfertigte den gravierenden Polizeiensatz nach Auffassung des Gerichts nicht. Voraussetzung dafür hätte eine „gegenwärtige erhebliche

Gefahren“ sein müssen, für die die Beweisaufnahme jedoch „keinen Beleg“ erbracht hatte.

Der Vorsitzende Richter Markworth wies ausdrücklich darauf hin, daß sich die 600 Menschen weder vor noch nach der Einkesselung so „verhielten, wie man es von einer gewaltbereiten Personengruppe gewohnt“ sei. Die Vertreter der Polizei hatten den Einsatz damit rechtfertigt, daß auf FlugblätternKrawalle für den Reagan-Besuchs angekündigt worden seien und daß es eine besonders schwierigen Sicherheitslage gegeben habe. Die Behauptung des Einsatzleiters, im der Anti-Reagan Demonstrationszug seien 60 Prozent Autonome gesichet worden, sah das Gericht als nicht erwiesen an.

Plutonia Plarre