Bush sagt Njet zu Gorbatschow

■ US-Präsident und NATO wollen sich von Gorbatschow der atomaren Kurzstreckenwaffen nicht drängen lassen / Außenminister Genscher sieht in Gorbatschows Rede Anzeichen für weitere Annäherung

US-Präsident und Nato wollen sich von Gorbatschow in der Frage der atomaren Kurzstreckenwaffen nicht drängen lassen / Außenminister Genscher sieht in Gorbatschows Rede Anzeichen für weitere Annäherung / Washington (dpa/taz) - „Wir werden uns nicht aus dem Konzept bringen lassen, sondern zunächst weiter versuchen, eine Vereibarung über den Abbau konventioneller Waffen zu erreichen“. Erwartungsgemäß hat US -Präsident Bush die Aufforderung Gorbatschows, sofort über den Abbau der atomaren Kurzstreckenraketen in Europa zu reden, die dieser vor der parlamentarischen Versammlung des Europarates vortrug, zurückgewiesen. „Wir werden uns nicht aus der Bahn werfen lassen“, begründete Bush seine Ablehnung weiter und machte damit deutlich, daß er um jeden Preis den auf dem Nato-Gipfel in Brüssel mühsam zusammengeschusterten Kompromiß über die Zeit retten will. Vor einem unterschriebenen Abkommen über die Reduzierung konventioneller Waffen in Europa, so die Natoposition, werden keine Gespräche über Kurzstreckenraketen geführt. Davon völlig unbenommen, erklärt egestern ein Nato-Sprecher in Brüssel, hätte man natürlich nichts dagegen, wenn Gorbatschow bereits jetzt einseitig seine Raketen verschrotten würde. Immerhin hätte er in seiner Rede ja implizit die sowjetische Überlegenheit auf dem Gebiet zugegeben.

Mit einem deutlich anderen Akzent reagierte dagegen Bundesaußenminister Genscher auf Gorbatschow. Die Rede des sowjetischen Staatspräsidenten sei ein „eindrucksvolles Bekenntnis zu Europa“ und entspreche dem Geist der deutsch -sowjetischen Erklärung. In der Frage der Kurzstreckenraketen diagnostiziert Genscher eine weitere Annährung zwischen Ost und West.

Daß auch Michail Gorbatschow inWien zu schnellen Resultaten kommen wolle, zeige schon, daß beide Seiten nicht nur prinzipiell für Verhandlungen über Kurzstreckenwaffen sind, sondern daß sich auch die Zeitvorstellungen weitgehend angenähert hätten.

Im Kontrast zu den reservierten Reaktionen auf den sowjetischen Abrüstungs-Vorschlag wertete die parlamentarische Versammlung des Europarates den Gorbatschow -Besuch als historisches Ereignis, das den Beginn einer dauerhaften Zusammenarbeit eröffnen könnte. An der gestrigen Parlamentssitung hatten erstmals auch Parlamentarier aus Polen, Ungarn, Jugoslawien und der Sowjetunion teilgenommen. Die osteuropäischen Volksvertreter betonten in ihren Reden die Stabilität der demokratischen Entwicklung in ihren Ländern. „Wir sind dabei, die EIN-Partei-Diktatur durch ein pluralistisches System zu ersetzen“, meinte Antal Reger aus Ungarn.

In der Debatte wurde die spätere Assoziierung osteuropäischer Länder im Europarat als realistische Möglichkeit eingestuft. Eine Vollmitgliedschaft liege aber noch in ferner Zukunft.

JG