Mehr Höhenflüge bitte!

■ Zwischenbilanz am Stadttheater Bremerhaven

Dr. Dirk Böttger, seit einem Jahr Intendant am Stadttheater Bremerhaven und angetreten mit dem engen Korsett eines über drei Jahre festgelegten Spielplans, zog jetzt die erste Zwischenbilanz. Ergebnis: Der „Besucherschwund“ der letzten Jahre konnte zumindest gestoppt werden. Kamen in der Spielzeit 87/88 182 000 Menschen ins Theater, waren es jetzt 186 000. Ob Böttger innerhalb der nächsten zwei Jahre die Traum- und Schallgrenze von 200 000 Besuchern wirklich erreicht, sein erklärtes Ziel bei Amtsantritt, ist allerdings fraglich.

Die Konsolidierung ist vor allem den Publikumsmagneten im Programm, den Musicals „Cabaret“ und „Linie 1“ zu verdanken. „Linie 1“ hatte mit 21 ausverkauften Vorstellungen und 15 000 Zuschauern ein größtenteils junges Publikum mit vielen Theaterneulingen angezogen; es hält sich das Gerücht, sogar aus Bremen sei eine Schulklasse angereist.

Im Gegensatz zur besser be

suchten Oper sahen die Auslastungszahlen für das Schauspiel im Großen Haus mager aus: „Don Carlos“ (66%), „Der Widerspenstigen Zähmung“ (58%), Peter Weiss „Maratsade“ (52%). Dem Theater fehlt der Mut zu aufregenden Bildern, das Schauspiel als Gesprächsstoff hat sich aus der städtischen Öffentlichkeit verabschiedet, Gastregisseure haben wenig neue Impulse mitgebracht.

Gleichzeitig kehrte mit Doris Prilop eine der guten jungen Schauspielerinnen der Bremerhavener Bühne den Rücken. Sie trat in den begehrtesten Produktionen auf, sie war der Star in „Cabaret“ und spielte neben sieben Rollen im Dauerbrenner „Spiels nochmal, Sam“, aber sie fühlte sich unterfordert und verließ das Haus ohne gesichertes Engagement an anderen Bühnen.

Intendant Dirk Böttger verspricht „niveauvolles, gutes Theater“, aber er ist vorsorglich realistisch: „Wir werden uns auch mit Tageskost begnügen müssen, neben einigen Höhenflügen.“

Mehr Höhenflüge bitte, und weniger Tageskost! Die neue Spielzeit beginnt am 17. September mit „Cosi fan tutte“ in einer Inszenierung des Oberspielleiters Johannes Felsenstein, am 22. September folgt im Schauspiel „Hamlet“, Regisseur ist der Oberspielleiter Rainer Steinkamp.

Hans Happe