Blauer Dunst über Bremen

■ Zigarrenrauchers Glück wird in Bremen gemacht / Immer weniger lassen sich 'ne Zigarre verpassen

Rauchen ist in der Bremer Tabakbörse ausdrücklich erwünscht. Überall stehen Aschenbecher. Herren in langen weißen Schürzen legen dicke Bündel mit großen, braunen Tabakblättern auf langen Holztischen aus. Der lichte Raum ist klimatisiert, die Luftfeuchtigkeit liegt fast bei 80 Prozent. Überall stehen kleine Gruppen von Männern, die die geschmeidigen Blätter mit geschultem Blick prüfen. Zigarrenraucher sind die Ausnahme, obwohl sich seit 30 Jahren in der Bremer Tabakbörse fast alles um die Zigarre dreht.

„Sumatra“, sagt Wolfgang Köhne, „das ist der Daimler Benz unter den Tabaken und Havanna ist der Rolls Royce“. Köhne, seit 1983 deutscher Geschäftsführer der Bremer Tabakbörse, interessiert sich mehr für den Daimler. Seit sein Vater 1959 zusammen mit Vertretern der indonesischen Regierung und Rohtabak-Kaufleuten der sogenannten „Bremer

Gruppe“ einen Vertrag unterzeichnete, ist Bremen der westeuropäische Zentralmarkt für indonesische Zigarren -Export-Tabake. Die ersten Ballen wurden im Juli 1959 noch in einem Bremer Hafenschuppen verkauft. Seither wurden rund 3,8 Millionen der 75 bis 100 Kilo schweren Tabakballen aus Sumatra und Java für knapp 3,4 Milliarden DM verkauft.

„Der Industrie geht's nicht sehr rosig“, sagt Köhne. 1959 wurde in der EG fast 8,7 Milliarden Zigarren und Zigarillos verkauft. Nach einem kräftigen Anstieg in den 70er Jahren waren es Anfang der 80er nur mehr gut 7,5 Milliarden Stück. Seither ist der Zigarrenkonsum fast überall in Europa rückläufig. Der altväterlich-wohlbeleibte Raucher, der sich für seine dicke Zigarre eine Stunde Zeit nehmen kann, liegt nicht mehr im Trend. „Der junge Erfolgstyp greift eher zum Zigarillo“, weiß Köhne. Trotzdem ist

das Interesse der Kunden aus der westeuropäischen Zigarrenindustrie derzeit groß. Besonders bei hochwertigem Zigarrendeckblatt herrscht Mangel, und die Ernten der letzten beiden Jahre waren schlechter als erhofft.

Pro Jahr braucht die Industrie zwischen 10.000 und 12.000 Ballen des besonders teuren und geschmacksintensiven Sumatra -Tabaks. Im vergangenen Jahr kamen über die Bremer Börse aber nur 8.700 Ballen auf den Markt, die 34 Millionen DM erbrachten. Das helle Deckblatt von Sumatra wird für die Herstellung besonders hochwertiger Zigarren und Zigarillos verwendet. Auf den Schiffen, die den Tabak nach Bremen bringen, dürfen höchstens fünf Ballen aus Sumatra übereinander gestapelt werden. Von der Anpflanzung bis zum Export geht jedes Blatt durch 30 Hände, erzählt Köhne, der Anfang der 70er Jahre für sechs Monate auf einer indonesischen Staatsplantage ge

arbeitet hat.

In der Börse ist kaum Hektik zu spüren. Je nach Erntemenge gibt es pro Jahr zwischen drei und sechs Auktionen, die hier „Einschreibungen“ heißen. Das Ritual ist gleich geblieben. Die Käufer haben zwei Wochen Zeit, die den Ballen entnommenen und genau gekennzeichneten Tabak-Proben zu begutachten. Jeder kann prüfen, ob Größe, Farbe und Aroma stimmen, ob die Blätter elastisch genug sind und gut brennen. Dann geben die Interessenten ihre Gebote schriftlich und geheim auf den Hundertstel-Pfennig genau ab. Alle warten ungeduldig darauf, zu erfahren, wer den Zuschlag erhalten hat und wer leer ausgegangen ist. Die Preise bleiben geheim. Im vergangenen Jahr wurden so 46 Millionen DM umgesetzt. Die Börsianer sind offensichtlich nicht unzufrieden. In Köhnes Büro hängt ein Schild: „Raucher, wir danken Euch“.

Irmgrad Kern, dpa