SCHMEICHELEINHEITEN

■ Michael Bause in der Galerie Neue Räume, Susanne Mahlmeister in der Galerie Wewerka, Erhard Gross in der Galerie Taube

Man darf nicht zu dicht an die Bilder von Michael Bause herantreten, wenn man nicht das Gefühl bekommen möchte, betrogen zu werden. Heißen die Titel seiner Bilder „Elastizitätstheorie“, „Baulandumlegung“, „Bauopfer“ oder „Bodenmechanik“, läßt sich von diesen Benennungen nichts realisieren in den weichen Strukturen, in den zerfließenden Farben und Formen. Von weitem dagegen erkennt man die unscharfen Konturen der Stadtlandschaft. Dort zeichnet sich ein Giebel ab, hier wirkt eine Häuserzeile vertraut. Ist das nicht der Hinterhof, in dem wir alle schon einmal gestanden haben, und von wo aus kann man denn so aufs Brandenburger Tor sehen?

Nichts davon ist real. Bause hat imaginäre Stadträume entworfen, die in seinen Pastellfarben zu schön aussehen, um wahr zu sein. Man denkt nicht an Smog, wenn die Silhouetten verschwimmen, sondern fragt sich eher, wie die Gebilde aus Menschenhand stehen können.

Und aus verwaschenem Grau, dem verlaufenen Blau oder schmutzigen Rosa heben sich mal hellere, mal dunklere Linien ab, die den Bildern räumliche Struktur geben. Man sieht dadurch auf Flächen, die fensterlos sind wie Brandmauern. Man erkennt Ecken, Kanten und Winkel, manchmal sind es Bögen von Toreinfahrten oder Brückenkonstruktionen, die aus dem Nirgendwo wachsen.

Und selbst wenn einmal ein harter Schlagschatten die Räumlichkeit hervorbringt, löst dieser farbige Kontrast nicht die Diffusität auf, die über den Gebäuden liegt. Man kann nichts erkennen, so sehr man auch die Augen anstrengen mag. In dem so gewollten Prinzip der Undurchschaubarkeit und Unerklärlichkeit, das nichts deutlich macht, aber auch die Wirklichkeit nicht beschönt, liegt der Reiz dieser Malerei, die sich schlicht an die Formgebung von Architektur hält. Man braucht nicht an die Bewohner und Benutzer denken, man wird nicht herausgefordert, über die Zerstörung von Stadtlandschaften nachzudenken, die autofreie Stadt ist hier auch eine menschenfreie Stadt. Man hört in den Bildern keinen Straßenlärm, keine spielenden Kinder. Man sieht sich alleingelassen wie anderenorts in den Bergen, und wenn man es nicht besser wüßte, man könnte sentimental werden.

Das kann einem in der Galerie Wewerka nicht passieren. Dort ist man gemeinhin sowieso allein. Hierher kommt man nicht, wenn man nicht den Willen hatte, dort hineinzugehen. Zufällige Passanten werden nicht in die Galerie gelockt. In dem von der Straße einfallenden Licht sieht man zwei Landkarten, die sich als Stadtkarten von Paris erweisen. In dem schwarz-weißen Linienwerk sind nur zwei öffentliche Gebäude in roter Farbe hervorgehoben, das Pantheon und das Palais de Chaillot. Im hinteren Raum findet sich eine metergroße schwarz-weiße Fotografie des Palais‘, die zartrosa handkoloriert worden ist. An der gegenüberliegenden Wand hängt der Aufriß des Pantheons im Baukastenprinzip. Knallrot bestimmen die beiden Halbschalen den Raum und umklammern theoretisch das gegenüberhängende Bild. Diese beiden „Monumente Paris“ sieht die Konzeptkünstlerin Susanne Mahlmeister als Ausdruck ihrer Auseinandersetzung mit der Architektur von Paris. Ob sie allerdings damit die Metaphernfrage wirklich beantwortet, die ausgeht von der stadtbildnerischen Architektur als Gebäuden, die auf Hügeln stehen unter besonderer Berücksichtigung ihres musealen Stellenwerts, bleibt außerhalb des kleinen Kreises kunsttheoretischer Experten sicher zweifelhaft.

Diese Zweifel entstehen bei den Kaltnadelradierungen von Erhard Gross wohl kaum. Hinter dem nostalgischen Touch einiger seiner Bilder wie „Im zweiten Hof gab's Kristalleis“ oder „Mützen, Hüte, Hauben in der Offizierswohnung“ offenbart Gross in perspektivischer Durchleuchtung das Interieur der Kreuzberger Mischung. Er sieht durch Wände und den Leuten beim Leben zu. Er öffnet Häuser, und nichts als Fenster bleiben stehen, er hat beim Abriß zugeschaut und in die Zimmerhöhlen gesehen, wo die Tapeten vom Geschmack zeugten, und der verbliebene Rest, den die vertriebenen Mieter nicht mehr mitnehmen wollten, auch noch Auskunft gibt über die Vergangenheit, an die sich Gross klammert. Aber immer stehen die Menschen im Mittelpunkt. Man kann Geschichten lesen, die nicht geschönt sind, man darf teilnehmen an dem Alltag, so wie Gross ihn seit seiner Geburt 1926 mitbekommen hat. Manche der Tätigkeiten, die Gross in seinen Bildern archiviert hat, sind inzwischen ausgestorben, die wuselige Emsigkeit ist uns erhalten geblieben. Und Architektur wird immer erst dann lebendig, wenn wir durch Wände gehen können.

Qpferdach

Michael Bause, Galerie Neue Räume, Lindenstraße 39, 1-61, Di -So 17-2 Uhr. Bis zum 3.8.

Susanne Mahlmeister, Wewerka, Pariser Str. 63, Di-Fr 11 -18.30, Sa 11-14 Uhr. Bis zum 5.8.

Erhard Gross, Galerie Taube, Pariser Str. 54, Di-Fr. 16-19, Sa 11-14 Uhr. Bis zum 2.9.