BLUES IM KACHELOFEN

■ Astor Piazzolla, Axel Donner und James 'Blood‘ Ulmer bei „Jazz in the Garden“

Zu einem gelungenen Konzertereignis bedarf es nicht nur guter Musiker, sondern von seiten des Veranstalters auch eines gewissen Talents, diese zu präsentieren. Das beginnt mit der Auswahl der Gruppen für einen Abend. Am Freitag servierte man im aufgeheizten Hinterhof der Nationalgalerie zunächst einen unterkühlten Tango, dann Axel Donners Hausmannskost aus Berlin/DDR und als Sahnehäubchen „Third Rail“, eine Art Hardcore-Jazz von Ronald Shannon Jackson, James 'Blood‘ Ulmer und Jamaaldeen Tacuma.

Zu den Problemen. Das gemeine Publikum darf, um Karten zu erstehen, eine friedenskettenlange Schlange ums Steinkarree bilden. Die letzten werden, weil die Kapazität des Gartens recht begrenzt ist, ohne Karten auf Dach und Mäuerchen geschickt, wo von den Musikern wenig zu sehen, aber doch wenigstens etwas zu hören ist.

Mit Astor Piazzolla, Bandoneon-Virtuose aus Argentinien, weht eine Brise melancholischen Akkordeons über die Bühne. Er hat sich mit seiner Philosophie vom „Neuen Tango“ in Argentinien viele Feinde geschaffen. Für ihn ist das Bandoneon mehr als die Hintergrunduntermalung eines Tanzes und Tango mehr als Tanzmusik. Sein „Sexteto Tango Nuevo“ beschäftigt noch einen weiteren Bandoneonisten, daneben ein Cello, das seine traurig gestimmten Kommentare abgeben darf. Von den anderen Instrumenten kommt oben leider nur wenig an.

In der Pause gelingt dann doch der Einbruch in den Kachelofen hinter der Galerie, dessen Steine sich brutzelnd an Schuh- und Fußsohlen zu schaffen machen.

Auf der Bühne nun der Pianist Axel Donner und sein Quartett. Die Herren aus Ost-Berlin verbreiten einen Un -Modern-Jazz, der nicht unangenehm auffallen möchte, seine stromlinienförmige Eleganz prädestiniert ihn zum DDR -Alltagsblues.

Völlig anderen Blues eingeatmet haben „Third Rail“ aus den vereinigten schwarzen Staaten von Amerika. Alle drei Musiker haben den harmolodischen Jazz von Ornette Coleman persönlich eingetrichtert bekommen. Der Gitarrist James, der blutige Ulmer, und der Drummer Shannon Jackson wirbelten Anfang der Achtziger die Jazzpuristen auf, als sie die bis dato wohlstrukturierte Jazzhistorie mit ihrem No-Wave-Free-Funk aufmischten. „Are you glad to be in America?“ reibeiste Ulmer ihnen entgegen, und über seine eigene Antwort auf diese sarkastische Frage konnten keine Zweifel bestehen. Der Dritte im Bunde ist der Bassist Jamaaldeen Tacuma, eingesprungen für den erkrankten Bill Laswell, ein mehr als adäquater Ersatz. In seiner Person schließt sich der historische Kreis, er ist aktuelles Mitglied der Elektro -Abteilung in Ornette Colemans Band „Prime Time“.

Das Trio könnte unter günstigeren Voraussetzungen wohl fast jede Arena zum Einsturz bringen, hier allerdings schlägt alle Liebesmüh fehl. Zu spät angereist, versäumte man augenscheinlich den nachmittäglichen Soundcheck, und so schwappt über die eh bescheidene PA ein Blues-Rockbrei. Ulmers Nervensägengitarre ist kaum zu hören, seine Stimme verzerrt; Shannon Jacksons Kampf mit Cymbals und Bassdrum verhallt zwischen den wuchtigen Steinquadern.

Erst wenn der Zuhörer den Standort wechselt und sich mit hochgekrempelten Hosenbeinen ins knietiefe Wasser des Brunnens direkt gegenüber der Bühne begibt, ist differenziert etwas zu hören. Jamaaldeen Tacuma mit einem ausgedehnten, zunächst funkig zerrupften Bass-Solo, lyrisch verspielt gebrochen und in einen Rockrhythmus transformiert. Shannon Jacksons Schlagzeugvermöbelung, inklusive gehechelter Laute des Meisters, eine kleine Erzählung, getrommelt.

Als die Gruppe endlich ihren Sound gefunden hat, heißt es plötzlich aus Ulmers Kehle „Gut Nacht, we hate to go.“ Weil es dunkel wird in dem nicht beleuchteten Hinterhof, müssen die Musiker ihre Sachen packen und gehen.

Wenn ein Veranstalter nicht in der Lage ist, ein Konzert ordentlich beleuchten und beschallen zu lassen, außerdem die besten Plätze im Wasser liegen, wird es entweder Zeit, die Rente einzureichen oder der Veranstaltungsreihe eine ordentliche Verjüngungskur zu verordnen.

Andreas Becker

„Jazz in the Garden“ zum letzten Mal in dieser Saison am kommenden Freitag, 14.7., 18 Uhr, mit Tibetian Dixie, Graef -Riermeier, String Connection und dem Michel Petruciani Trio.