Ein Rad ist, was rollt

■ Erstes Berliner Rennen für neue Fahrradtypen

Zunächst steht man daneben und staunt. Daß Mensch mit diesen abenteuerlich aussehenden Geräten auch im brausenden Großstadtverkehr fahren kann, scheint eine ziemlich abwegige Vorstellung zu sein. Doch die Fans des Liegerads winken ab: „Alles kein Problem“. Die Könner, die mit lässigem Schwung das labile Gerät anschieben und die Pedale treten, ohne umzufallen, haben gut reden. Denn zumindest gewöhnungsbedürftig sind die Gebilde schon, zeigen mehrere kurze Probefahrten. Die ungewohnte Sitzpositition trägt dazu bei: Nicht mehr hoch zu Roß, sondern knapp überm Boden hängt der Pedaltreter, die Beine weit nach vorn gereckt. Gut abgestützt gegen die Rückenlehne wird die Power ausschließlich aus dem Oberschenkel produziert. Das soll einfach besser sein, sagen die Fans, die skeptische Blicke souverän zurückweisen. Die Arme blieben anders als beim normalen Rad völlig unbelastet, schwärmt einer der Radler vor: Dies sei besonders bei Bergfahrten eine deutliche Entlastung. Jemandem, der sich nicht einmal eine normale Stadtfahrt zutraut, kann er damit grenzenlos beeindrucken. Manche Gefährte haben den Lenker direkt unter dem Sitz angebracht; mit locker herabhängenen Armen wird das Gefährt über die Piste gesteuert. Andere Räder haben eine superlange, flachgelegte Lenkstange, wie es schlichte Radelgemüter nur aus amerikanischen Rocker-Filmen und „Easy Rider“ kennen. Egal wie die Geräte gebaut sind; gemeinsam sind ihnen ein völlig anderes Lenkverhalten und ein größerer Wendekreis.

Zwei Tage lang veranstaltete die Gesellschaft zur Förderung berufsspezifischer Ausbuildung (GFBA) das erste Berliner Rennen für neue Fahrradtypen, auf dem die Liegeräder als auch behindertengerechte Dreiräder vorgestellt wurden. Rund 50 Teilnehmer waren dabei, darunter auch ein polnischer Fahrer. Vollverkleidet präsentierte sich die Weltrekordmaschine, mit der eine Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern zu erreichen ist: mit riesigem Zahnkranz und superschmalen Reifen. Für den Stadtverkehr ist das Geschoß freilich nicht zu gebrauchen: Es kann nur geradeausfahren. An den Start gingen daneben verwegen zusammengeschweißte Konstruktionen, mit Windschutz oder vollverkleidet, auch Dreiräder mit Anhänger. Ein Geschicklichkeitsfahren, ein Rundstrecken- und ein Hochgeschwindigkeitsrennen standen auf dem Programm der Veranstaltung. „Es reicht nicht aus, eine neue Verkehrspolitik zu entwerfen, man muß auch die Fahrzeuge dazu bauen“, hatten die Veranstalter als Motto gewählt - und damit zugleich die Schwachstelle verdeutlicht. Denn damit die „human powered vehicles“ - wie die Neuentwicklungen genannt werden - das traditionelle Radel verdrängen können, wird sich der Stadtverkehr wohl noch erheblich verändern müssen.

gn