Zeitenwechsel

Zur Randale während der Demo gegen die Republikaner  ■ K O M M E N T A R

Seit dem 1.Mai 1989 ist das gemeinsame Feindbild der Linken bei allen Demonstrationen ins Wanken geraten. Die Polizei als Provokateur von Auseinandersetzungen, die „prügelnden Bullen“ - das einfache Weltbild taugte nicht mehr. Teils, weil sich die Polizei tatsächlich anders verhalten hat als unter Innensenator Kewenig. Nach dem ersten Mai hat sich die Szene zum ersten Mal selbstbewußt von angreifender Militanz distanziert.

Der 9.Juli war ein Versuch, über den 1.Mai hinauszuwachsen. Und er war eine Chance, erneut um Vertrauen in breite Bündnisse zu werben. Der Versuch war es wert, die Chanche ist verpaßt. Nicht, weil sich die aktiven Teilnehmer des Bündnisses nicht an die Absprachen gehalten haben, sondern weil sich inzwischen jenseits von bewußt-politischen Aktivitäten türkische Gruppen und jugendliche Banden den Aktionen anschließen, die Absprachen gegenüber unzugänglich sind. Erstmals haben sich Demonstranten nicht gescheut, gegen Gewaltbereite in ihren eigenen Reihen vorzugehen. Doch der Versuch, sie im Zaum zu halten, ist nur teilweise geglückt.

Nun ist eingetreten, was man verhindern wollte. Die Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen wurde stellvertretend mit der Polizei geführt. In der einfachen Formel „deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ drückte sich sprachgewaltig Sprachlosigkeit gegenüber den vielfältigen Phänomenen des Rechtsradikalismus aus.

Als einzige Möglichkeit bleibt jetzt, den Zugang zu denjenigen zu finden, die glauben, die einzige Form der Auseinandersetzung sei der Angriff. Gelingt das nicht, wird man sie weiterhin einkesseln müssen oder sie ausgrenzen und damit der Polizei ausliefern. Die Konflikte bei zukünftigen Demonstrationen wären damit vorprogrammiert.

Brigitte Fehrle