Finale Furioso

■ Die Sonntags-Musik-Breminale zum guter Letzten

Sonntag war nicht Wüstenrot-Tag. Sonntag war MIB-Tag. Mittags ging's schon los im „Blue Inn“ mit dem Jahresabschlußkonzert der MIB-Jazzschule. Sieben Gruppen stellten die Ergebnisse ihrer Arbeit vor. Im Publikum saßen in erster Linie MitmusikerInnen und Bekannte der AkteurInnen - Wohlwollen also auf allen Stühlen.

Am Abend wurde dann allerdings erstmal die Geduld heftigst strapaziert. Das für halbacht angekündigte Konzert der Workshop Big Band fing erst eine Stunde später an. Ein langatmiger und umständlicher Soundcheck dehnte sich, wenn auch die Dialoge des Mixers mit den MusikerInnen für unbeabsichtigte Kurzweil sorgten - sie hätten aus einem Monty Python-Script stammen können.

Aber dann wurde losgebigbandet, daß einer/m die Ohren aufgingen. Die Workshop Big Band entstammt einem entsprechendem Projekt, das Uli Sobotta und Michael Sievert, mit den DDR-Musikern Johannes Bauer, Erwin Stache, Bernd Herchenbach und Wolfram Dix organisiert hatten. Die zwölf darin verwickelten MusikerInnen stellten Sonntagabend die Ergebnisse dieses dreitägigen Workshops vor. Und die konnten sich wirkich hören lassen.

Ein furioser Notensturm fegte durchs „Blue Inn“. Phonstarke Klangmauern wurden aufgerichtet und zum Einstürzen gebracht. Notierte Sequenzen bildeten den Rahmen für meist kollektive Improvisationsparts, in denen sich die MusikerInnen wie deie Teufel der Spielfreude hingaben.

Da entstanden in rasendem Tempo Klangemälde, ungefähr so, als wenn mensch mit dem Transrapid durch die New York Art Gallery brausen würde. Zwischendurch dann kurze Momente zum Atemholen fürs Publikum. Eine wundervolle Stunde Free

Jazz, wie ich ihn liebe.

Neben den Stern der Workshop Big Band, setzte die Zentraleuropäische Spielvereinigung „Fortschritt“ einen zweiten. Bauer, Herchenbach, Stache, Dix und Sievert (die bereits für die Big Band musiziert hatten) legten einfach als Quintett noch einen nach.

Das musikalische Konzept unterschied sich nicht wesentlich von dem der Big Band, allerdings bot die kleinere Besetzung größere solistische Möglichkeiten.

Herausragend: Johannes Bauer, der seiner Posaune die unmöglichsten Töne entlockte und mit einer Kraft und Verve spielte, daß schon das Zuschauen Freude machte. Er schlürfte, schlabberte, schmatzte, schwatzte in sein Instrument, ließ vibrierende Obertöne entstehen, Überbläser, trompetete wie ein Elefant, um im nächsten Moment zart gehauchte Töne zu wispern.

Erwin Stache schüttete drumrum mit seinem E-Piano Soundwälle auf, setzte schrille Cluster dazwischen und ließ sich gerne auf call-and-response-Passagen ein. Das Rhythmus-Duo Herchenbach/Dix spielte dann zu allem Überfluß auch noch traumwandlerisch zusammen. Dix bearbeitete sein Drumset wie ein Derwisch und auch Herchenbach ließ sich nur selten auf dürchgängige Basslinien ein, steuerte sogar eine witzige Vokalpassage bei. Michael Sievert paßte sich in diese wilde Lust an Grenzüberschreitungen und Strukturauflösungen ausgezeichnet ein.

Auffallend war allerdings, daß in den Kompositionen der „Ostdeutschen“ die formalen Strukturen deutlich stärker in Frage gestellt werden, sich immer wieder eine anarchische Freude am kontrollierten Chaos Bahn bricht. Das Publikum war begeistert. Ich auch. Was will man mehr? Arnau