Computerlust und Ausbildungsleid

■ Modellprojekt im Wedding will türkischen Jugendlichen den Weg zu einer qualifizierten Ausbildung ebnen

„Geh doch zum Arbeitsamt“, wird arbeitslosen Jugendlichen in der Regel geraten. Türkische Jugendliche machen jedoch von den Fort- und Weiterbildungsangeboten des Arbeitsamtes weniger Gebrauch als ihre deutschen Altersgenossen, wissen oftmals nicht, wo sie sich über ihre Möglichkeiten informieren können. Dabei haben sie die größten Probleme: Zur Zeit liegt die Ausbildungsquote bei türkischen Jugendlichen um 50 Prozent niedriger als bei deutschen. Die Arbeitslosenrate ist dafür dreimal so hoch. Die Mitarbeiter des VFPI (Verein zur Förderung der Pädagogik der Informationstechnologien e.V.) schlagen deshalb einen ungewöhnlichen Weg ein: Sie gehen auf die Straße und suchen die TeilnehmerInnen für ihre Computer-Orientierungskurse in Spielhallen, in türkischen Vereinen oder in Jugendzentren.

Seit einem halben Jahr führt der VFPI in einem restaurierten Gewerbehof in der Lindower Straße, Berlin -Wedding, das Modellprojekt „Social Street Work“ für türkische Jugendliche durch. Finanziert von der Senatsverwaltung für Arbeit, Verkehr und Betriebe, haben inzwischen an die 60 Jugendliche an den vierwöchigen Computer-Einführungskursen teilgenommen. „Der Computer ist eigentlich nur das Medium“, erklärt Kursleiter Adrian Maerevoet.

Über das große Interesse der Jugendlichen an den PCs und der Datenverarbeitung will man an die Jugendlichen „rankommen“, um ihnen den Weg zu einer qualifizierten Berufsausbildung zu ebnen. An den Kurs schließt sich deshalb ein mehrwöchiges Betriebspraktikum an - vornehmlich in türkischen Unternehmen.

Damit ist der zweite Problemkreis angesprochen: Türkische Betriebe bieten nur in sehr geringem Maße Lehrstellen an. Viele der rund 5.000 türkischen Gewerbebetriebe würden zwar gerne türkische Jugendliche ausbilden, erklärt Adrian Maerevoet, nur fehle oftmals die Anerkennung der Ausbildungseignung. Auch hier wollen die Projektmitarbeiter, neben Diplompädagoge Adrian Maerevoet sind das zwei türkische EDV-Lehrer, aktiv werden. Vorgesehen sind Ausbildungsverbünde mehrerer Kleinbetriebe, die sich einen zur Ausbildung befähigten Meister teilen.

Die Finanzierung des Projektes durch den Senat ist bis Ende des Jahres gesichert. Insgesamt 300.000 Mark läßt sich die Arbeitsverwaltung das bislang einmalige Vorhaben kosten. Dafür sollen an die 100 Jugendliche die Kurse durchlaufen. Noch lassen sich die Erfolge an einer Hand abzählen: Zwei KursteilnehmerInnen fanden eine feste Stelle, anderen wurde ein Ausbildungsplatz angeboten. Inzwischen mußte wegen der großen Nachfrage bereits ein zweiter Kurs eingerichtet werden. Für alle überraschend ist das große Interesse von jungen Türkinnen an dem Kursangebot: Über die Hälfte der TeilnehmerInnen sind Frauen.

-guth