Apparat im Apparat-betr.: "Menschen zu Zombies gespritzt", taz vom 30.6.89

betr.: „Menschen zu Zombies gespritzt“, taz vom 30.6.89

Ich traute meinen Augen nicht, als ich diesen Artikel las, ging es doch in der Verhandlung gegen Peter M. wegen Beleidigung des Dr.Zenker in der JVA Butzbach, weil er im Brief des P.M. „Dr.Mengele“ genannt wurde. Als ehemaliger Insasse kann ich behaupten, verbal wird er dort von sehr vielen so benannt. Gewiß ist dies überspitzt, jedoch es hat seinen Grund. Für diesen Arzt scheint wohl jeder ein „Simulant“ zu sein, wie auch im Falle meines unmittelbaren Nachbarn, wo es in der Akte festgehalten von Dr.Zenker steht und dem hiesigen Anstaltsarzt mitgeteilt wurde, obwohl jeder Laie die Verformung seines Fußes erkennt. Während meines Aufenthaltes in Butzbach war ich zweimal beim Arzt, wurde keinmal untersucht. Wer wirklich krank ist, kann sich dort nicht auf ärztliche Hilfe verlassen.

Anders scheint es aber bei der Verabreichung von stärksten Psychopharmaka zu sein. Ich habe selbst einen dieser beschriebenen „Zombies“ in nächster Nachbarschaft gehabt, und es war nicht der einzige während meines einjährigen Aufenthaltes dort. Es war ein Schock für mich, da jeder einmal im Knast ausflippen kann und somit der Gefahr einer Spritze ausgesetzt ist, deren Wirkung anscheinend über Wochen bis Monate Folgen zeigt. Mir war es unmöglich mit Niedergespritzten zu sprechen, es kam nur noch wirres Zeug heraus. Das war vorher nicht der Fall.

Nun, wo ich diesen Artikel lese, verstehe ich auch, warum Peter M. vor Monaten aus Butzbach zwangsverlegt wurde. Er hätte wohl dann mehr Möglichkeiten gehabt, seine Verteidigung zur Anklage zu machen, doch so ist es schwer, die Möglichkeiten, die ohnehin im Knast sehr gering sind, auszuschöpfen. Die Tatsache, daß die Ehefrau des Richters als Augenärztin inhaftierte Kunden von Dr.Zenker erhält, ist wohl einen Befangenheitsantrag wert. Obwohl dies reiner Zufall ist, steht es geradezu symbolisch für die Hierarchie der Angestellten dieses Justizvollzuges, wo anscheinend fast jeder irgendwie mit dem anderen verwandt zu sein scheint. Wenn es nicht blutsverwandt ist, dann die Partei oder sonstige Klüngeleien. Das ist schon ein Apparat im Apparat, und dagegen ist schwer anzukommen. In Butzbach sind vor einigen Wochen zwei Menschen in der Zelle verbrannt. Wer Butzbach erlebt hat, kann es nicht mehr so einfach vergessen, und Butzbach ist nur einer von vielen Knästen, in denen einiges faul ist, allein durch die Tatsache, daß sich die Hierarchie unantastbar gibt und die Ausgelieferten nahezu rechtlos sind. (...)

Ich rufe die Inhaftierten von Butzbach auf, Peter M., wenn möglich zu unterstützen, er ist den meisten als Kämpfer für alle bekannt. (...) Ich rufe auch die Partei der Grünen auf, sich an der Grünen Gruppe in Butzbach überörtlich zu beteiligen, um anhand dieser Basisgruppe, den Vorfällen in Butzbach und den Haftproblemen überhaupt mehr Raum in der Partei zu schaffen. Die Verrohung in den Knästen darf nicht zunehmen, weder bei den Beamten noch bei den Inhaftierten, und Mediziner wie Dr.Zenker darf der Doktortitel nicht zum Ruhigstellen von Menschen und einfachen Gelderwerb dienen. (...)

M.L.